Haushaltsschnecken leben länger
Zimmern.
In solchen Quartieren ist die Zimmereinteilung meistens klar: Wohnzimmer, Kinderzimmer, Schlafzimmer! Zur Debatte steht bloß, welchem Zimmer welche Funktion zukommt. Langsam hat sich ja herumgesprochen, daß Kinder mehr Platz brauchen, als Wohngenossenschaften für sie einplanen, und daß Wohnzimmer
- genauer gesagt: Fernsehzimmer - nicht unbedingt 30 m² groß sein müssen. Daß die Räume dann doch oft kinderfeindlich aufgeteilt werden, liegt nicht an der Egozentrik der Eltern, die für ihre abendliche Fernsehorgie den größten Raum der
Wohnung beanspruchen, sondern daran, daß üblicherweise zumindest eines der kleineren Zimmer nur durch das große zu erreichen ist; wodurch die Kinder, bekämen sie den großen Raum, in einem Durchgangszimmer logierten, was nur für Kinder, die länger fernschauen und später Schlafengehen als die Eltern, zu empfehlen wäre.
Aber es gibt ja auch Familien, die besser dran sind. Die haben, sei es mit viel Glück, sei es durch Mieterschutzerbrecht oder mit viel Geld, Riesenwohnungen ergattert. Die Raumaufteilung solcher Wohnungen bringt mich oft ins Sinnieren! Dort gibt es außer Wohnzimmer und Schlafzimmer und Kinderzimmer auch Speisezimmer und Zimmer, die konservativ »Herrenzimmer«, modischer »Arbeitszimmer« genannt werden. Manche der
Riesenwohnungen haben auch ein Tischtennis-Zimmer oder ein Eisenbahn-Zimmer; damit Papa und Sohn die Schienen nicht immer wegräume n müssen. Dunkelkammer-Zimmer,
Hobbyräume, Gästezimmer, Bügelzimmer, Musikzimmer und
noch eine Menge anderer »Extra- Zimmer« habe ich schon bestaunt.
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Relativ selten befindet sich aber in den Riesenwohnungen ein Zimmer, von dem die Hausfrau, die mich stolz durch die Räume führt, sagt: »Und das ist mein Zimmer!« Fragt man die Dame, warum sie von all den Räumen keinen für sich allein reserviert habe, erfährt man, daß das eigentlich ihre Absicht gewesen sei, aber dann - irgendwie - habe es sich nicht ergeben! Die Wünsche der anderen seien eben dringlicher gewesen.
Und der Ehemann fügt lächelnd hinzu: »Außerdem gehört ihr ja die ganze Wohnung!«
Was das Aufräumen und das Dreckwegputzen betrifft, hat der gute Mann garantiert recht!
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Folterkammer Örtchen
Hans- im-Glück-Familien besitzen Häuser oder Wohnungen mit zwei - oder mehr - Badezimmern und zwei - oder mehr -
Klos. Nicht ganz so vom Glück verfolgte, aber immerhin noch begünstigte Familien haben wenigstens ein Badezimmer mit zwei Waschbecken. Die Normalfamilie jedoch, auch wenn sie aus fünf oder sechs Personen besteht, muß mit einem
Badezimmer und einem Waschbecken darin auskommen.
Statistiken darüber, wieviel Familienzwist und Hader dadurch entstehen, daß mehrere Menschen zur gleichen Zeit nach dem gekachelten Orte gieren und zum diskreten Örtchen drängen, gibt es nicht. Doch wage ich zu behaupten, daß sich viele Familienleben wesentlich harmonischer gestalten würden, wäre nicht tagtäglich die morgendliche Notlage durchzustehen.
Ein halbwüchsiges Mädchen etwa, das an der sorgfältigen Behandlung von Mitessern und Wimmerln gehindert wird, weil der kleine Bruder auf seinem Recht besteht, das Badezimmer zwischen 7.10 Uhr und 7.20 Uhr zu benutzen, sieht sich völlig außerstande, den kleinen Bruder zu lieben.
Und niemand kann vergrämter sein als der arme Mann, der hinter der verriegelten Tür hockt und dort nicht in dem Tempo agieren darf, das ihm sein Leib vorschreibt, sondern in dem Tempo, das ein an die Klotür pochendes Familienmitglied fordert.
Besonders unerträglich wird die Morgensituation, wenn ein sehr ordentlicher Mensch nach einem sehr schlampigen
Menschen das Badezimmer benutzen muß.
Bartstoppelstaub im Waschbecken, feuchte Badetücher auf dem Boden, Zahnpastaspritzer auf dem Spiegel, Make- up-Flecken in Handtüchern, unauffindbare Tubenverschlüsse, gatschige Seifen und Badewannendreckränder haben sicher
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schon öfter Familienstreit ausgelöst als so große und bittere Probleme wie Untreue, Charaktermängel und Geldnot.
Und die Personen, die darauf bestehen, nicht nur eine eigene Zahnbürste, sondern auch ein eigenes Handtuch, einen eigenen Waschlappen und eigene Kosmetika zu haben, stehen in den meisten Familien im morgendlichen Kampf ohnehin auf total verlorenem Posten.
Ärmer als diese besitzgestörten Menschen sind jedoch noch die Leute, denen ein skrupelloser Architekt das Bad und das Klo als eine Einheit errichtet hat. Was sich des Morgens dort abzuspielen pflegt -
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