Haushaltsschnecken leben länger
trotzdem!
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Mama denkt nicht
Geht man, das Familienleben seiner Mitmenschen aufmerksam betrachtend, durch den Alltag, muß man feststellen, daß in vielen Familien die Mutter die Rolle des »lieben Dummerls« zu spielen hat.
Vater und Kinder, wenn auch sonst nie einer Meinung,
arbeiten in schöner Einigkeit daran, der Mama einen
Intelligenzquotienten weit unter dem Familiendurchschnitt zu attestieren.
Warum sie das tun, ist klar. Mütter sorgen und pflegen, regeln und helfen, trösten und applanieren Schwierigkeiten. Man braucht sie, ist auf sie angewiesen, fühlt sich abhängig von ihnen. Da tut es wohl, diese übermächtige Person wenigstens für
»ein bißl dumm« halten zu können. Das baut auf!
Gute Gelegenheit, sich über die Dummheit der Mama einig zu sein, bietet sich beim Fernsehen. Ach, was kann man da über die Frau und ihre Programmwahl entsetzt sein! Schrecklich, was der Mama gefällt! Entsetzlich, wo sie mitlebt und mitleidet!
»O Gott, gibt sie sich heut schon wieder >Dallas< hin?« heißt es da etwa. »Daß dir der Schmarrn noch immer nicht zu blöd ist!« rügt die Tochter. »Bist du denn echt so verkitscht?«
erkundigt sich konsterniert der Sohn. Und der Papa
kommentiert: »Das ist ihr Seelenfutter. Das ist der
Gemütsbalsam, den sie braucht!«
Und dann lassen sich Papa, Sohn und Tochter ins Gepolsterte fallen und beobachten mit gerunzelten Stirnen, welcher
»Niveaulosigkeit« die Mutter verfallen ist.
Nur mit viel Gelächter können sie das durchstehen! Sie klatschen sich die Schenkel, wenn J. R.s Bösewichtgelächter ertönt, wiehern, wenn Pam ihren Leidensblick bekommt und kreischen wie die Hyänen, wenn der kindliche Plumpsack Christopher durchs Bild getragen wird.
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Ist dann >Dallas< zu Ende und schaltet die Mutter, frustriert ob der argen Störung beim Fernsehgenuß, den Fernseher aus, muß sie eine Grundsatzdebatte über TV-Kitsch, falsches Bewußtsein und Verdummungsprozeß durchstehen.
Reuig und zerknirscht beschwört die Mutter, daß sie ja selbst wisse, welcher Plunder diese Serie sei, daß sie leider nicht genau wisse, warum sie sich trotzdem regelmäßig zum Augen- und Ohrenzeugen der Sache mache.
»Darüber solltest du dir aber klarwerden«, rät die Tochter. »Da stimmt doch bewußtseinsmäßig etwas nicht mit dir, wenn dir so ein Schmarrn gefällt!«
»Medien hat man bewußt zu konsumieren«, doziert der Sohn,
»sonst verblödet man komplett!«
»Aber das liegt doch der Mama nicht«, sagt der Papa
abschließend. »Sie denkt nicht, sie fühlt nur!«
»Und wie kommen wir dazu«, rufen Tochter und Sohn im
Chor, »daß wir uns deshalb den Dreck anschauen müssen? Auf dem anderen Kanal wär' was echt Interessantes gewesen!«
Die Mutter sieht es ein und schaut am nächsten Dienstag nicht
>Dallas<, sondern geht mit einer Freundin Nachtmahlessen.
Und was tut sich daheim?
Da sitzen Papa und Sohn im Wohnzimmer und schauen
>Dallas<, obwohl auf dem anderen Kanal eine »echt interessante Sendung voll Niveau« ausgestrahlt wird.
Und warum tun sie das?
Weil sie gute Menschen sind. Sie haben beschlossen, man müsse der Mama berichten, was in Folge 112 passiert. Sonst kommt »das kleine Dummerl am nächsten Dienstag ja nicht mit«!
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Halbzeiten-Drama
Ort der Handlung: Wohnzimmer / Zeit der Handlung: Abend, an dem im TV ein Fußballmatch übertragen wird / Personen: Er und Sie / (Requisiten: 2 Sessel, 1 TV-Gerät, 1 Flasche Bier, 1
Strickerei).
Er (laut, erregt): Rührts euch, Burschen! Wo bleibt der Kampfgeist! Das gibt's doch nicht!
Sie (strickt, denkt): Nein, das gibt's echt nicht! Tut, als ob es ums Leben ginge. Daß seine Tochter aus Liebeskummer drei Kilo abgenommen hat, läßt ihn kalt! Daß sein Sohn einen ungerechten Fünfer bekommen hat, läßt ihn kalt! Meine
Gastritis läßt ihn kalt! Aber wenn ein grüner Wappler einem violetten Wappler das Ballerl wegnimmt, steigt sein Blutdruck!
Er (läßt sich zurückfallen, stöhnt): Die Burschen haben keine Kondition! Rennen wie der FC Krematorium!
Sie (zählt Maschen, denkt): Kondition! Gerade er sagt das!
Kommt ins Keuchen, wenn er in den ersten Stock steigt. Aber das ist ja ganz seine Linie. Von anderen fordern, was man selbst nicht bringt. Mir sagt er, ich soll ein paar Kilo abnehmen, weil er - rein optisch - schlanke Frauen lieber mag. Daß ich - rein optisch - auch was anderes lieber mögen könnte als einen Bierbauch und ein Doppelkinn, fällt ihm nicht ein. Und mein Taktgefühl läßt es
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