Hausmaestro - Kriminalroman
rief Vogel aus und schaute sich vergnügt um.
Mit Ausnahme eines über der Tür angebrachten Flachbildfernsehers schien sich im Lokal seit seiner Gründung in der Tat nur wenig verändert zu haben. Über den mit Holz verkleideten Wänden waren große Tafeln angebracht, auf denen die Empfehlungen der Küche notiert waren, wobei bemerkenswerterweise, weil für ein Wiener Gasthaus eher untypisch, auch eine Unzahl von Mehlspeisen angepriesen wurde.
»Wenn ich jetzt nur wüsste, ob ich zum Nachtisch Schokoladepalatschinken oder die Topfen-Nougatknödel essen soll … «, sagte Vogel mit genießerischem Gesichtsausdruck.
»Hast du auch nichts gefrühstückt?«, fragte Walz verwundert.
»Doch, schon. Aber seitdem ich den Hund hab, könnt’ ich ständig essen. Und nehm’ nicht einmal zu. Ja, wenn du schlank bleiben willst, musst dir nur einen Greyhound anschaffen.«
»Du solltest aber bedenken, dass dir der Mörbischer den Kopf abreißt, wenn wir vor der Pressekonferenz nicht beim Weber und beim Münch gewesen sind. Und da macht sich ein Schokolademäulchen nicht so gut … «
Gerade wollte Vogel erwidern, dass schließlich nicht er es gewesen war, der ins Gasthaus gedrängt hatte, als eine ostasiatisch aussehende Dame mittleren Alters an ihren Tisch trat, ihnen die Speisekarten brachte und sie in fast akzentfreiem Deutsch nach den Getränkewünschen befragte.
Nachdem sie mit den Bestellungen davongegangen war – auf die Karte hatten die Inspektoren großzügig verzichtet – , flüsterte Vogel seinem Kollegen zu: »Also, gestern war der Tag der altersbedingten Inkontinenz, das hab ich noch mitgekriegt, ist heute vielleicht der Tag der Geisha? Das ist jetzt schon die zweite, und es ist gerade einmal Mittag … «
»Mein lieber Kajetan«, antwortete Walz kopfschüttelnd, »das G’spusi vom Maurer ist Japanerin, diese Dame hier dürfte aber eher aus Thailand kommen«.
»Also, für mich sehen die alle gleich aus«, sagte Vogel ratlos. »Ob es denen genauso mit uns geht?«
»Du kannst sie ja fragen«, antwortete Walz grinsend, während die Asiatin mit den gewünschten Getränken an den Tisch trat.
»Mit wem sollen wir also anfangen nachher?«, fragte Vogel, der die Aufforderung seines Kollegen geflissentlich überging.
»Direkt nach dem Essen ist die Gefahr am größten, dass mir schlecht wird«, antwortete Walz kryptisch.
»Also, der Weber zuerst – einverstanden – na schau, wie schnell das hier geht … «, sagte Vogel strahlend, als die Dame die Speisen servierte. »Da wär sich doch noch eine Schokoladepalatschinke ausgegangen … «
»Trotz aller deiner verständlichen Antipathien gegenüber dem Herrn Staatsoperndirektor, der wird uns nicht erspart bleiben«, sagte Vogel kauend, »ich sag dir, der Erdäpfelsalat – ein Gedicht!«
»Hör mir sofort auf mit dem Münch«, unterbrach ihn Walz heftig, »sonst schmeckt mir gleich mein Supperl nicht mehr.«
Tatsächlich hatten die beiden Inspektoren den Staatsoperndirektor in äußerst unangenehmer Erinnerung. Das rührte von der Zeit her, als sie ihm helfen mussten, eine verschwundene Partitur von Offenbachs ›Hoffmanns Erzählungen‹ zu finden. Im Endeffekt hatten sie den Fall lösen können, waren jedoch dabei mit zahlreichen unappetitlichen Details aus Münchs Leben konfrontiert worden.
Damals war der Direktor auf ihre Hilfe angewiesen gewesen, was den Umgang mit ihm erheblich erleichtert hatte. Diesen Vorteil hatten sie dieses Mal voraussichtlich nicht, was in zweifacher Hinsicht unerfreulich war, da Münch neben einem unangenehmen Charakter auch über viele mächtige Freunde verfügte, die jeden Schritt unserer Inspektoren mit Argwohn verfolgen würden.
»Eine Möglichkeit gäbe es allerdings noch: Wenn der Weber gleich ein Geständnis ablegt, wird uns der Münch erspart bleiben. Oder vielleicht war’s er gar selbst. Immerhin hat der beim Maurer angerufen und ihn zur Ordnung gerufen, wie unsere Geisha anzumerken beliebte. Und ein solcher Charakter ahndet jeglichen Ungehorsam sogleich mit der Höchststrafe.« Vogel schaute kurz auf seine Omega. »So leid es mir tut, aber langsam sollten wir die Rechnung verlangen.«
Nach einer kurzen Fahrt in die Innere Stadt, die sich schon in frühlingshaftem Grün zeigte, fanden sie unweit der angegebenen Adresse überraschenderweise einen Parkplatz.
Als sie das Vorzimmer der Agentur betraten, die in der Beletage eines repräsentativen Altbaus in der Eschenbachgasse gelegen war, kam ihnen ein großer,
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