Hausmaestro - Kriminalroman
wären. Aber Magnus war halt das Gegenteil eines Diplomaten … «
»Wenn wir einmal von dem Fagottisten absehen, hatte Maurer in den letzten Tagen auch mit anderen Musikern Differenzen?«, wiederholte Vogel.
»Da waren schon einige«, gab Weber ausweichend zurück, »neben dem Fagottisten ging auch ein Oboist zum Betriebsrat, um sich über ihn zu beschweren.«
Vogel trank einen Schluck Wasser, das ihnen unterdessen von einer Sekretärin serviert worden war. »Wissen Sie zufällig, ob Herr Maurer mit italienischen Geschäftsleuten zu tun hatte?«
Weber legte seinen Kopf schief. »Wie? Ich verstehe nicht?«
»Na, falls es tatsächlich eine Garotte gewesen sein sollte, könnte das auf die Mafia hinweisen. Wenn es in letzter Zeit auch etwas aus der Mode gekommen ist, früher haben die damit ganz gerne für vollendete Tatsachen gesorgt.«
»Er erzählte mir vor einigen Wochen etwas von einem italienischen Impresario, der ihm ein sehr verlockendes Angebot über einige Konzerte in den Amphitheatern von Sizilien gemacht hätte.«
»Wissen Sie zufällig dessen Namen?«, fragte Vogel neugierig.
»Nein, tut mir leid. Da dies nicht in den Interessenbereich unserer Agentur fiel, habe ich auch nicht nachgefragt. Dieser Impresario wollte die Tournee ja selbst veranstalten.«
»Glauben Sie, dass in Maurers Wohnung ein Schriftverkehr darüber zu finden ist?«
Entschieden schüttelte Weber den Kopf. »Magnus war in solchen Belangen alles andere als ordentlich. Soweit ich weiß, ist das Ganze bislang auch nicht über telefonische Vorgespräche hinausgekommen. Vielleicht finden Sie ja noch eine italienische Nummer auf seinem Handy, das könnte Ihnen womöglich weiterhelfen.«
»Ich geh schon«, sagte Walz zu seinem Kollegen und verließ das Zimmer, um zu veranlassen, dass die Telefongesellschaft angerufen würde.
»Können Sie mir erklären, wie es dazu kam, dass Herr Maurer nach der kurzfristigen Absage von Herrn Marechal eingesprungen ist?«, setzte Vogel die Befragung fort. »Entschuldigen Sie bitte meine Naivität, aber ich bin auf diesem Gebiet ein völliger Laie.«
Zum ersten Mal lächelte Weber. »Schauen Sie, Ende letzter Woche hat uns der berühmte Dirigent Pedro Marechal mitgeteilt, dass er die künstlerische Leitung über die ›Traviata‹ aus gesundheitlichen Gründen abgeben muss. Die Ärzte hatten ihm dringend nahegelegt, sich zu schonen, da sie ansonsten keine Garantie für seine Gesundheit übernehmen könnten. Sie dürfen nicht vergessen, Marechal ist auch schon fast 70. In dem Alter verzehrt jeder Normalsterbliche schon seine Pension und genießt das beschauliche Leben. Ganz anders verhält es sich bei Dirigenten, die in diesem Alter sogar noch zur mittleren Generation gezählt werden. Ähnlich wie bei Firmenpatriarchen, Diktatoren oder dem Papst gibt es auch bei den Pultstars keinen Ruhestand. Die meisten hören erst dann auf, wenn sie sich in die ewigen Jagdgründe verabschiedet haben. Der Beruf eines Dirigenten setzt, neben einer außergewöhnlichen Konstitution, auch gewisse Charaktermerkmale voraus. Das macht den Umgang mit dieser Zunft auch so schwierig. Sie müssen sich vorstellen, dass ein berühmter Maestro eigentlich die ganze Zeit arbeitet. Da es nur wenige in dieser Klasse gibt und jeder Veranstalter nach ihm giert, fliegt er von einem Arbeitsplatz zum nächsten. Und selbst im Flugzeug kommt er nicht zur Ruhe, sondern arbeitet das nächste Programm aus.« Weber klang so, als hätte er den Text auswendig gelernt.
»Dafür wird er auch genug verdienen«, murmelte Vogel in sich hinein, um dann in normalem Gesprächston fortzufahren: »Und wie ist es weitergegangen? Wer kam auf die Idee, Herrn Maurer zu engagieren?«
»An erster Stelle wurde natürlich Herr Marechal gefragt, wen er sich vorstellen könne. Der schlug einen jungen Dirigenten vor, einen Schüler und langjährigen Assistenten von ihm, mit dem ihn ein ausgesprochenes Vertrauensverhältnis verbindet … «
»Samuel Berner?«, fragte Walz, der gerade in den Raum zurückgekehrt war.
»Sie kennen ihn?«, fragte Weber verwundert.
»Ich habe ihn vor nicht allzu langer Zeit an der Oper mit einer ›Butterfly‹ erlebt – das war gar nicht schlecht … «
»Ja, Herr Berner ist durchaus talentiert«, bestätigte der Agent.
»Es geht ja das Gerücht, dass Berner ein leiblicher Sohn von Marechal ist«, fuhr Walz fort.
»Ich kenne das Gerede«, antwortete Weber lächelnd, »seltsamerweise werden gerade bei den Dirigenten gerne
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