Hausmaestro - Kriminalroman
geschieht’s ihm, Rotzbengel, dem. Als er selbst schon unter den größten Dirigenten gesungen hatte, da hat der noch nicht einmal in die Windeln geschissen. So tragisch sein Schicksal auch sein mochte, es half nichts, er hatte es herausgefordert. Da braucht er sich nicht wundern, wenn er dabei draufgegangen ist.
Trotzdem war er neugierig, wer von den Kollegen ihn bei der Polizei angeschwärzt hatte, dass die ihn heute, ausgerechnet an seinem freien Abend, verhören wollte.
Die beiden Inspektoren brauchten eine ganze Weile, bis sie durch den Feierabendverkehr Wiens in die Rainergasse im 4. Bezirk gelangten, in der sich Grills Wohnung befand.
Als die Kriminalisten die Wohnung des Sängers betraten, der ihnen missmutig die Tür geöffnet hatte, sahen sie sich gleich einer Wand gegenüber, an der unzählige gerahmte Fotografien hingen. Auf jedem dieser Bilder war Grill zu sehen, in den verschiedensten Kostümen und Posen, was unseren Opernfreund Walz gleich dazu veranlasste, diese nach kurzer Begrüßung genauer zu inspizieren.
Vogel ließ ihn gerne gewähren, denn dieses unerwartete Interesse eines Exekutivbeamten für seinen künstlerischen Werdegang schien den schlecht gelaunten Sänger sichtlich zu versöhnen.
Als Walz dann noch einige Fragen stellte, die von echter Sachkunde zeugten, und interessiert den selbstverliebten Ausführungen des Tenors folgte, war das Eis endgültig gebrochen. Der zuerst griesgrämige Ausdruck war völlig aus Grills Gesicht verschwunden, charmant geleitete er die beiden durch seinen künstlerischen Werdegang.
Endlich wurden die Besucher ins Wohnzimmer geführt, dessen Wände ebenfalls mit zahlreichen Fotografien und Karikaturen des Künstlers behängt waren. Als er aber gerade dazu anhob, auch jede dieser Fotografien einzeln erklären zu wollen, war das selbst unserem kunstbeflissenen Walz zu viel.
»Sie haben ja sicherlich von dem tragischen Tod des Dirigenten Maurer gehört«, fragte er Grill unvermittelt. »Wir wollen Sie nicht lange aufhalten, hätten aber einige Fragen an Sie.«
Der Sänger, der sich gerade darauf vorbereitet hatte, seine persönlichen Erlebnisse mit Placido Domingo anhand einer von dem Star signierten Fotografie zu erläutern, bot den Kriminalisten widerwillig einen Platz auf einer schweren Couch an, die den musealen Charakter der Wohnung noch unterstrich. Das charmante Lächeln war unterdessen völlig aus seinem Gesicht verschwunden.
»Um es gleich vorweg zu sagen: Dies ist eine reine Routinebefragung, Herr Kammersänger«, erklärte Walz. »Welchen Eindruck machte Magnus Maurer in den letzten Tagen auf Sie?«
»Was soll ich Ihnen sagen«, antwortete Grill, offensichtlich geschmeichelt von der inoffiziellen Verleihung eines Titels durch ein Staatsorgan, »er wirkte bei den Proben – sehr angespannt. Das ganze Projekt ist ja auch keine Kleinigkeit. Stellen Sie sich vor, nicht nur eine Premiere an der Wiener Staatsoper, sondern eine weltweite Übertragung in die Kinos – da kann einem schon mulmig werden. Da kommt es auf jede Kleinigkeit an. Daher sind wir alle ein wenig aufgeregt. Wenn ich zum Beispiel im ersten Akt zu spät auf die Bühne komme, ist die ganze Szene geschmissen.«
»Das ist mir schon klar«, sagte Walz geduldig, »aber wirkte sich diese Anspannung irgendwie auf Maurers Verhalten aus?«
»Ja, schon, er war halt ein wenig ungeduldig mit uns. Aber das ist doch normal, wenn ein junger Mann so plötzlich mit einer solchen Aufgabe betraut wird. Er hatte ja überhaupt keine Zeit, sich darauf vorzubereiten, wohingegen wir schon seit Wochen proben.«
»Ist es mit Ihren Kollegen oder mit Ihnen zu Streitigkeiten gekommen?«
Grill breitete seine Arme aus und verzog das Gesicht. »In der Hektik fallen halt manchmal Worte, die man später lieber ungesagt machen würde … «
»Wir haben da aber ganz andere Dinge gehört«, beharrte Walz. »Maurer ist bei der Darstellerin der Annina angeblich so weit gegangen, dass sie einen Nervenzusammenbruch erlitt.«
»No, ob des a Nervenzusammenbruch war, des waß i’ net«, antwortete Grill, plötzlich in den tiefsten Wiener Dialekt fallend, »die Maria, die nimmt sich das Ganze immer gleich so zu Herzen. Das sollte man, glaub ich, nicht überbewerten. In unserem Beruf kommt es halt auf die Sekunde drauf an, wenn ein Ton einmal draußen ist, kannst’ den nimmer einfangen.«
»Also, Sie persönlich empfanden seine Anwürfe nicht als außerordentlich?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, Herr Inspektor, in
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