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Hausmaestro - Kriminalroman

Hausmaestro - Kriminalroman

Titel: Hausmaestro - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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hin, dass er am Beginn einer glänzenden Karriere stand. Schließlich war er damals gerade 32 Jahre alt und hatte bei diversen Gastspielen in der deutschen Provinz schon einige achtbare Erfolge feiern können, was seinem Selbstbewusstsein ein solides Fundament geschaffen hatte. Zumal er auch eine durchaus ansehnliche Figur abgab. Grill war, für einen Tenor eher ungewöhnlich, schlank und hoch aufgeschossen. Mit seinem pechschwarzen Haar und stahlblauen Augen schien er geradezu dazu prädestiniert zu sein, die Bühnen der Welt im Sturm zu erobern. So dachte er wenigstens, nachdem er, noch nicht einmal 30-jährig, im Stadttheater Hagen als Tamino und im Landestheater Niederbayern als Don Ottavio brilliert hatte. Von einem Kritiker der ›Westfälischen Rundschau‹ war er nach seinem Gastspiel in Hagen sogar mit Fritz Wunderlich verglichen worden. So war es für ihn nur folgerichtig, an eine der bedeutendsten Bühnen der Welt geholt zu werden, wo er natürlich erwartete, zumindest bei Repertoirevorstellungen in ersten Rollen auftreten zu dürfen.
    Doch dem war nicht so.
    Die kleinen Chargen, die er in Wien auch noch nach fünf Jahren singen musste, genügten dem ehrgeizigen und selbstbewussten Schönling in keiner Weise. So war es nur nachvollziehbar, dass er immer wieder Gastspiele an kleineren Bühnen annahm, wo ihm Rollen angeboten wurden, die zwar erstrangig waren, jedoch seinem lyrischen Tenor nicht immer entsprachen. Nach einer Serie von Open-Air-Aufführungen im burgenländischen Sankt Margarethen, bei denen er als Manrico in Verdis ›Il Trovatore‹ auftrat, dem er immerhin von der Erscheinung her entsprach, zeigten sich bei seiner Stimme die ersten Verschleißerscheinungen – durch die Anstrengung hatte sie ihren warmen Schmelz fast gänzlich eingebüßt, sodass er binnen Kurzem selbst bei zweifelhaften Opernprojekten kleinerer Veranstalter nicht mehr die erste Wahl darstellte.
    Eigentlich hatte er es nur dem Mangel an Tenören und der in Österreich üblichen Pragmatisierung nach zehn Jahren zu verdanken, dass er nach diesem Raubbau weiterhin an der Staatsoper singen durfte. Wenn auch nur wenig und eben in jenen Rollen, die er bereits als Anfänger gesungen hatte. Dass diese Tatsache seinem eigenen Fehlverhalten geschuldet war, wollte er bis heute nicht einsehen. Er machte vielmehr den ungünstigen Stand der Gestirne und, natürlich, die Intrigen seiner Kollegen dafür verantwortlich.
    So verdross es ihn nicht wenig, dass er in der ›Traviata‹ nur den Diener Giuseppe zu singen hatte und nicht den Liebhaber Alfredo, der ihm, nach seiner Selbsteinschätzung wenigstens, nach einer so langen Zugehörigkeit im Ensemble der Wiener Staatsoper eigentlich zugestanden hätte. Außerdem sah er viel besser aus als dieser italienische Krawattl-Tenor, der nicht nur einen mächtigen Bauch hatte, sondern auch einen halben Kopf kleiner war als seine Angebetete …
    Die Proben zu dieser Aufführung standen ohnehin unter keinem guten Stern. Diese schreckliche Inszenierung, auf einer Müllhalde, wo Violetta ihrem Alfredo anstelle einer Kamelie zum Abschied eine Plastikrose überreicht, die sie im Unrat gefunden hatte. So etwas Unpoetisches konnte nur dem Höllwarth einfallen.
    Und sein Kostüm erst. Der stolze Diener Violettas war nun in Lumpen gekleidet und musste beständig um seine Herrin herumschleichen und ihr – laut Regisseur – ›kriecherisch jeden Wunsch von den Augen ablesen‹. Aus welchem Grunde sollte sich eine so herrschaftliche Erscheinung wie er überhaupt so devot geben? Das war doch völlig unglaubwürdig! Von Personenführung hatte der Höllwarth absolut keine Ahnung.
    In der alten Inszenierung hatte er wenigstens noch einen Frack getragen. Das war eben ein Diener, den er glaubhaft verkörpern konnte! Obwohl er in dieser Rolle nur wenige Sätze zu singen hatte, hatte er es jedes Mal genossen. Es hilft nichts, er ist halt doch eine echte Bühnenerscheinung. Da kann sich dieser Schmalspur-Pavarotti, der den Alfredo singt, mal ein Beispiel nehmen. Dieser jugendliche Liebhaber mit Fettranderl und Pfrnack [1] . Den kann man schminken, wie man will, so schiach, wie der ist, reicht’s höchstens zum Mime, aber den kann er von der Stimme her nicht. Man geht ja auch in die Oper, um zu sehen, vor allem, wenn die Vorstellung, wie in diesem Falle, sogar in die Kinos kommt. Sonst kann man sich ja gleich eine CD kaufen.
    Aber das war ja alles noch nichts gegen den Maurer. Wie der sich aufgeführt hat. Recht

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