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Hausmaestro - Kriminalroman

Hausmaestro - Kriminalroman

Titel: Hausmaestro - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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»Trinkt’s in Perchtoldsdorf ein Viertel Gerebelten, schaut’s auf die Glühwürmchen, horcht’s auf die Grillen – nachher wisst’s, was ein Schubert-Adagio ist.«
    So gesehen hat Wien seine kulturelle Bedeutung nicht zuletzt der Qualität seines Rebensaftes zu verdanken.
     
    Alljährlich erwartet der Wiener mit Sehnsucht die wärmere Jahreszeit, denn obgleich die meisten Heurigen auch im Winter geöffnet halten, gehört zum unverfälschten Heurigenbesuch doch unbedingt ein Gastgarten, der zumeist von Kastanien-oder Nussbäumen beschattet wird. Von der ursprünglichen Idee, nur dann ›auszustecken‹, wenn der Ausschank des jungen Weins der letzten Lese, also des ›Heurigen‹, beginnt, hat man sich dank der besseren Haltbarkeit des Rebensafts unterdessen entfernt.
    Um jedoch zu verhindern, dass der Weinhauer die Pflege seiner Weinstöcke durch den lukrativen Gastbetrieb vernachlässigt, gibt es in jedem Bezirk und Weinort rund um Wien einen so genannten ›Heurigenkalender‹, in dem die Wochen festlegt sind, an denen der jeweilige Heurige seinen Föhrenbuschen ›ausstecken‹ darf oder, wie der weinselige Wiener es unnachahmlich auszudrücken weiß, ›der Herrgott die Hand raussteckt‹.
     
    Der Heurige in seiner heutigen Form geht übrigens auf den Aufklärungskaiser Joseph II. zurück, der den Weinbauern in seiner ›Zirkularverordnung‹ gestattet hatte, ›von ihm selbst erzeugte Lebensmittel, Wein und Obstmost … zu verkaufen oder auszuschenken‹. Dadurch zählt der Buschenschank als Teil des Weinbaus zu den landwirtschaftlichen Betrieben, wodurch der Heurigenwirt kein Gewerbetreibender ist und daher auch keiner kostspieligen Konzession bedarf.
    So frugal wie beim echten ›Heurigen‹ geht es beim Zechmeister in Perchtoldsdorf freilich nicht zu. Streng genommen ist diese Stätte rustikaler Gemütlichkeit wie alle in Perchtoldsdorf beheimateten Lokalitäten dieser Art eine Gaststätte mit Heurigenbuffet. Der Wein allerdings stammt vom Hausherrn selbst, was der Grundidee immerhin nahe kommt.
     
    Dort saßen im weitläufigen Gastgarten unter einem Vordach drei Herren und eine Dame, die sich so laut unterhielten, dass sie Walz und seiner Clara bereits auffielen, als sie den Garten betraten.
    »Man merkt halt gleich, dass sich hier ausgebildete Stimmen versammelt haben«, sagte Walz launig, als sie an den Tisch der kleinen Gesellschaft traten. »Walz mein Name, wir haben vorhin miteinander telefoniert, Herr Kammersänger. Und wie Sie sehen, habe ich anstelle der Handschellen eine reizende Assistentin mitgebracht.«
    »Aber das ist doch die Frau Montero«, rief Misic aus, »sind Sie etwa vom ORF zur Polizei gewechselt?«
    Clara, die als Redakteurin vor nicht allzu langer Zeit anlässlich seines zwanzigjährigen Jubiläums als Kammersänger – im Gegensatz zu Grill war er tatsächlich einer – eine Sendung mit dem Bass gemacht hatte, gab lächelnd zurück: »Nein, nicht zur Polizei im Allgemeinen, ich würde mich eher als Privatsekretärin des Herrn Bezirksinspektor Walz bezeichnen – mit besonderer Betonung auf den ersten beiden Silben.«
    »Na, dann gratuliere ich herzlich«, dröhnte Misic lachend und winkte die Bedienung heran. »Bitte setzen Sie sich doch zu uns und erzählen Sie, was Sie hierherführt. Aber zuvor bestellen Sie sich etwas zu trinken und holen sich etwas vom Buffet, es amtshandelt sich doch erheblich leichter, wenn man etwas im Magen hat.«
    Nachdem sich die beiden bei der herangeeilten Dame im obligaten Dirndl etwas zu trinken bestellt hatten – Walz, gleichsam ›außer Dienst‹, versuchte den Weißburgunder, indes Clara, die sich dankenswerterweise dazu bereit erklärt hatte, den Volant für die Heimfahrt zu übernehmen, sich für den unvergorenen Traubensaft entschieden hatte – , gingen sie zum Buffet.
    Eine Besonderheit des traditionellen ›Heurigen‹ besteht nämlich darin, dass der Besucher die Getränke beim Kellner bestellt, sich das Essen hingegen selbst am im Gastgebäude befindlichen Buffet holt und dieses dort auch gleich bezahlt.
    Ohne Zögern entschied sich Walz für einen Schweinsbraten mit einem Semmelknödel und viel Saft sowie einen Schwarzwurzelsalat, Clara wählte die etwas gesündere Variante des Abendessens, einen Broccoliauflauf.
    Bevor sie noch am Tisch Platz genommen hatten, ergriff wieder Misic das Wort, dem als Ältesten offenbar die Rolle des Verhandlungsführers zugefallen war, und stellte dem Inspektor die Sänger persönlich vor. Dabei

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