Hausmaestro - Kriminalroman
hört, dort weniger ums Kartenspielen geht, zumal seine Runde neben ihm stets aus anderen hochmögenden Herrn aus Politik und Gesellschaft besteht.«
»Tarockieren ist halt etwas für Leute, die nicht genug Hirn fürs Bridge aufbringen«, sagte der ambitionierte Bridgespieler Vogel naserümpfend, »und da der Herr Direktor und unsere Politiker nicht einmal das zusammenbringen, werden dort halt Geschäfte gemacht. Wer sind denn seine sogenannten Mitspieler?«
»Fast alle, die in unserem Staat etwas zu sagen haben. Gerüchten zufolge ist dort auch euer Polizeipräsident öfters anzutreffen, dann einige Staatssekretäre, auch Minister sind gern gesehen, sowie der Gotha der Wirtschaftsführer, wer halt gerade Zeit hat … Die drehen dort das ganz große Rad, sag ich euch!«
»Und wo findet das statt?«, fragte Vogel neugierig.
»Man trifft sich standesgemäß im Palais Schönburg, wahrscheinlich, weil das ein bisserl abgelegen ist.«
»Und wie kommt man in diesen Klub?«
»Nur auf Empfehlung von zwei Mitgliedern und gemäß deiner Stellung in der Gesellschaft – und dem entsprechenden Kleingeld. Und alles unter strengster Geheimhaltung. Das geht dort noch konspirativer zu als bei den Freimaurern.«
»Also ein Opus Dei für Häretiker«, grunzte Vogel. »Dann wundert es mich nicht, dass der Münch so einen Rückhalt in der Politik genießt. Mit seinen geistigen Fähigkeiten, die höchstens fürs Bauernschnapsen reichen, werden die anderen beim Tarockieren immer gewinnen, deshalb haben sie ihn dort auch so lieb. Da eine Razzia zu machen, das wär doch was, oder was meinst du, o du mein Walz?«
Immer noch griesgrämig schaute dieser hinter seinem Computer hervor. »Nicht für mich, solche Kartenspiele interessieren mich überhaupt nicht, wie du weißt. Außerdem kannst du dir da nur kalte Füße holen, die sind wohl eine Nummer zu groß für uns … Aber jetzt ganz etwas anderes: Während du mit deinem alten Spezi gescherzt hast, habe ich im Internet recherchiert. Der Berner ist nicht bei Max und Novak unter Vertrag, sondern bei einem kleinen Agenten in der Schweiz.«
»Das bedeutet?«
»Dass Max und Novak größtes Interesse daran haben, dass der Berner die ›Traviata‹ nicht dirigiert.«
Nachdem Frühwirth gegangen war, nahm Vogel die Liste des Maestro suggeritore aus der Innentasche seines Sakkos und studierte die Namen der fünf Sänger, die er ihm darauf notiert hatte.
»Vielleicht sollten wir mit denen anfangen, was meinst’?«, fragte er seinen Kollegen und deutete mit einem Kugelschreiber auf die Namen.
»Das sind alles Hauskräfte, was ich so sehe, also in Wien oder Umgebung ansässig, Da müsst’ man nur die Mimi nach den Adressen fragen – wenn sie überhaupt noch im Büro ist«, sagte Walz nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr.
»Probieren wir’s halt«, entschied Vogel gut gelaunt. »Was ist überhaupt mit dir los – so ernst kenne ich dich nur nach einer unglücklichen Liebesgeschichte – stimmt was mit der Clara nicht?«
»Nein, nein, da ist alles bestens, aber mir geht der Maurer nicht aus dem Kopf. Weißt du, Dirigenten haben so etwas Übermenschliches, das macht ja auch ihren Nimbus aus. Und dass so ein Übermensch plötzlich nicht mehr da ist, vor allem in dem Alter, das will mir einfach nicht in den Kopf. Und dann noch seine arme Freundin, die grauslichen Eltern – das macht mich alles ein wenig nachdenklich.«
»Und seine Zweit-Geisha vom Chor wird auch nicht gerade jubilieren, denk ich mir. Deren Adresse sollten wir auch noch erfragen. Wie ich befürchtet habe, entwickelt sich dieser Fall schon jetzt ziemlich unübersichtlich, da siehst vor lauter Verdächtigen den Täter nicht … «
Seufzend griff er zum Mobiltelefon und ließ sich die Adressen und Telefonnummern der Sänger geben.
Nachdem er sie sorgsam auf einem Zettel notiert hatte, schüttelte Vogel ratlos den Kopf. »Da ein solches Verbrechen mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Mann ausgeführt wurde, würde ich vorschlagen, dass wir uns erst einmal unsere Geschlechtsgenossen vornehmen, woraufhin sich die Liste um eine Person verringert. Sag einmal, warum singen in der ›Traviata‹ eigentlich so viele Männer?«
»Was erwartest du von einer Oper, die von einer Mätresse handelt?«
»Ja, dann«, sagte er achselzuckend, während er die erste Nummer wählte.
Als Alexander Grill vor über 20 Jahren das Linzer Landestheater verließ und an der Wiener Staatsoper engagiert wurde, deutete alles darauf
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