Hausmaestro - Kriminalroman
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»Bevor es zu einer Wirtshausrauferei kommt, rufst’ halt die Kollegen aus Perchtoldsdorf zu Hilfe, die haben Erfahrung in solchen Dingen.«
4. Kapitel (Mittwoch)
Ungeachtet der zahlreichen Restaurants und Gasthäuser von teilweise herausragender Qualität, die sich im Laufe der letzten Jahrzehnte in Wien etabliert haben, treffen sich die echten Wiener doch noch immer am liebsten im Kaffeehaus oder beim Heurigen.
Was, wie man vielleicht denken könnte, nicht von der Tageszeit abhängig ist – ein Heuriger hat in vielen Fällen schon zu Mittag geöffnet, und die meisten Kaffeehäuser sperren erst in der Nacht – , sondern in erster Linie vom intellektuellen Anspruch der Besucher. Nicht umsonst liegen in einem Wiener Kaffeehaus, das etwas auf sich hält, neben sämtlichen bedeutenden deutschsprachigen Zeitungen und Magazinen auch die wichtigsten ausländischen Gazetten auf, was in einem Heurigen wohl nur verständnisloses Kopfschütteln auslösen würde, wo allenfalls einige kleinformatige Zeitungen populistischen Zuschnitts zu finden sind. Schließlich geht man zum Heurigen, um sich dort bei der Konsumation des einen oder andern Achtels Wein zwanglos zu unterhalten, wohingegen der klassische Kaffeehausbesucher in Ruhe lesen oder sich die Zeit mit anspruchsvollen und mit leiser Stimme geführten Gesprächen vertreiben will. Ein weiterer Unterschied besteht wohl darin, dass dem Heurigen ein zutiefst demokratischer Charakter innewohnt, zumal hier Vertreter sämtlicher Gesellschaftsschichten anzutreffen sind, die zu fortgeschrittener Stunde und entsprechend weinseliger Stimmung durchaus auch einmal miteinander in näheren Kontakt kommen können – in einem Kaffeehaus wäre das schlechterdings undenkbar.
Vielleicht gibt es auch aus diesem Grund kaum einen Wiener, den es an einem lauen Sommerabend nicht in eines der zahllosen Heurigenlokale zieht.
Genug Auswahl ist ja vorhanden. Schließlich ist Wien weltweit die einzige Hauptstadt, auf deren Gebiet Wein in erheblichen Mengen angebaut wird. Was einen nicht geringen Einfluss auf das Gemüt hat, gibt es doch zahllose Wienerlieder, die von nichts anderem als der Qualität des Weines handeln, die neben dem Sterben das beliebteste Thema dieser Art von Volksballaden darstellt.
Die enge Bindung des Wieners an seinen Wein mag nicht zuletzt auch damit zusammenhängen, dass unter dessen Einfluss so manche segensreiche politische Wendung eingetreten ist.
Welch wichtige Funktion der Rebensaft für den Wiener einnimmt, musste der Legende nach schon der spätere Böhmenkönig Przemysl Ottokar II. erfahren, der nach dem Aussterben der Babenberger die österreichische Herrschaft an sich gerissen hatte. Als Rudolf von Habsburg als deutscher König Wien beanspruchte, entlockte dies dem Böhmen nur ein müdes Lächeln, verfügte er doch über ein zahlenmäßig weit überlegenes Heer. Doch der Habsburger verstand die Wiener Seele offenbar besser als sein böhmischer Antipode. Denn als er androhte, sämtliche Weingärten, die sich damals ja noch zum größten Teil jenseits der Stadtmauer befanden, zu zerstören, erhoben sich die in Panik geratenen Wiener kurzerhand gegen Ottokar, mit der Folge, dass dieser nach der Schlacht auf dem Marchfeld im Jahre 1278 das Babenberger Erbe den Habsburgern übergeben musste. Womit nicht nur die Weinernte gerettet war, sondern auch der Grundstein zu der beispiellosen matrimonialen Erfolgsgeschichte des österreichischen Herrschergeschlechts gelegt wurde.
Auch die Türkenbelagerung im Jahre 1683 wurde, so wenigstens klagte weiland ein türkischer Zeremonienmeister, nur deshalb abgewehrt, weil die Muselmanen über die Qualitätdes erbeuteten Weines so begeistert waren, dass ihre Kampfmoral aufgrund des übermäßigen Genusses von ungewohntem Rebensaft, der ihnen bei ihren Raubzügen in reichem Maße in die Hände gefallen war, erheblich gelitten hatte.
Doch nicht nur in der Politik, auch in der kulturellen Entwicklung Wiens hat der Wein einen nicht unerheblichen Einfluss ausgeübt. Vor allem die Komponisten haben sich gerne vom Rebensaft inspirieren lassen, während die Schriftsteller und Journalisten sich eher im ruhigeren Kaffeehaus aufgehalten haben.
Das Wienerlied etwa ist ohne die darin so oft besungenen Heurigen undenkbar, und selbst ein so gottesfürchtiger Mann wie Anton Bruckner war bei seinen Wien-Aufenthalten regelmäßig beim Heurigen anzutreffen, wo er über einen anderen begeisterten Heurigen-Besucher sagte:
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