Hausmaestro - Kriminalroman
noch liebevoll aneinander erinnern? Sicherlich nicht, weil das, was uns heilig ist, erloschen wäre. Und auf diese Art werden wir ein Leben lang aneinander denken, und das Gefühl, das wir jetzt füreinander hegen, wird konserviert bis an unser Lebensende. Ist das nicht ein faszinierender Gedanke?«
»Du meinst also tatsächlich, wir werden nachher wie die Tiere übereinander herfallen und die nächsten beiden Tage in vollkommenem Glück verbringen und uns dann, wieder in Wien angekommen, voneinander verabschieden, in dem Bewusstsein, dass unsere Beziehung nun beendet ist?«
»Ja«, sagte sie trocken und strich ihm übers Haar.
10. Kapitel (Samstag)
Während sein Kollege Walz in der südlichen Steiermark also nie erlebte Wechselbäder der Gefühle durchleiden musste, baute Vogel seinem unter diesen Umständen doch aufkeimenden schlechten Gewissen vor, indem er den gesamten Samstag seiner Familie widmete. Dies sollte, so meinte er wenigstens, genügen.
Tatsächlich fiel ihm dieser Opfergang gar nicht schwer, was streng genommen den Läuterungsgedanken der Unternehmung relativierte, handelte es sich doch um einen jener wundervollen Frühsommertage, an dem sich die Frische des Frühlings mit der Wärme des Sommers vereinigt.
Gut gelaunt schlug das Familienoberhaupt also vor, nach dem Frühstück gemeinsam in den Wienerwald zu fahren und das Mittagessen im idyllisch gelegenen ›Gasthaus Mirli‹ im Irenental einzunehmen. Neben einer hervorragenden Küche bot die Umgebung des Lokals auch genügend Auslauf für den Greyhound sowie einen Spielplatz, wo sich am Wochenende in der Regel eine ganze Horde von Kindern tummelte, denen sich die kleine Laura möglicherweise anschließen könnte.
Seine Frau Martina war damit zufrieden, zumal der schon lange von ihr eingeforderte Wunsch einer gemeinsamen Unternehmung damit erfüllt war.
Und tatsächlich verlief der Tag in äußerster Harmonie, Laura fand wirklich ein paar Spielkameraden, mit denen sie sich rasch anfreundete, auch die lauffreudige Emily kam auf ihre Kosten, da sie auf einer großen Wiese zufällig auf einen anderen Greyhound traf, mit dem sie sich atemberaubende Wettrennen lieferte, die so manchen Passanten zu Bewunderungsrufen hinriss, was im Übrigen Vogels Eitelkeit durchaus zupass kam.
Der gedünstete Zwiebelrostbraten, den Vogel sich bestellt hatte, war von der besten Qualität, das von Martina georderte Curry vom Weiderind erregte ebenso Begeisterung, selbst die in Nahrungsfragen durchaus wählerische Laura war von ihren hausgemachten Bratwürsteln überaus angetan.
Rundum zufriedengestellt zeigte sich seine Gattin Martina endlich wieder einmal von ihrer besten Seite und bedachte ihren Gespons einige Male sogar mit Kosenamen, die er schon seit Langem nicht mehr aus ihrem Mund gehört hatte.
Mit einem Wort, der Familientag verlief äußerst erfreulich, sodass Vogel sich sogar regelrecht auf das abendliche Konzert zu freuen begann.
Emily, der die außergewöhnlichen Aktivitäten im Vorfeld des Konzertbesuches nicht entgangen waren und die sich deshalb besonders anhänglich gab, wurde derweil der Obhut der hundeerfahrenen Schwester von Martina überlassen.
Der 1862 errichtete Kursalon befindet sich am Rande des Stadtparks, der nach der Schleifung der Stadtmauer anstelle des sogenannten Wasserglacis’ angelegt worden war. Ursprünglich war das im Stil der italienischen Renaissance gehaltene Gebäude für Trinkkuren geplant gewesen, in dem sich die Wiener vom anstrengenden Großstadttreiben erholen sollten. Den Bürgern war in diesen Jahren des Aufbruchs jedoch weniger nach beschaulichen Kuren als nach prachtvollen Festen zumute, was zur Folge hatte, dass bereits nach einem Jahr der Walzerkönig Johann Strauß dort sein erstes Konzert gab. Mit großem Erfolg, der den Charakter stiller Erholung, für die die Örtlichkeit nach AllerhöchsterMeinung eigentlich geschaffen worden war, im Dreivierteltakt hinwegfegte.
Und trotz seiner äußerst wechselhaften Geschichte ist der Kursalon bis heute ein Konzertlokal geblieben , allerdings weniger für die Wiener Gesellschaft, die sich nur mehr an Neujahr und in der Ballsaison walzerselig zeigt, sondern mehr für die Touristen, die mit dem Vorurteil, dass sich ganz Wien beständig im Dreivierteltakt durch den Alltag bewegt, in die ehemalige Residenzstadt gelockt werden.
Daher verwunderte es nicht, dass die Mitglieder der Familie Vogel in dem gut besuchten Lanner-Saal die einzigen Österreicher waren, die sich
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