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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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zu den Männern und wartete. Der Alte trödelte irgendwann an. Ich zog mich in meine Wohnung zurück. Durch die Tür hörte ich jedes Wort. Die Aktentasche redete laut auf Herrn Sonder ein.
    - Sie kommen mit ins Krankenhaus. Holen Sie Ihre Schlüssel und Ihr Portemonnaie.
    - Welches Krankenhaus? Ich bin nicht krank.
    - Das muss überprüft werden. Sie kommen nach Ochsenzoll. Wir sind vom Bezirksamt Mitte. Wir kümmern uns um Sie. Wir suchen erst mal die Schlüssel und das Portemonnaie mit Ihnen zusammen.
    - Ich bin nicht krank. Ich bin müde. Ich möchte schlafen gehen.
    Ich kam wieder aus meiner Wohnung und schrie so laut, wie ich nur konnte: Sie haben gehört! Herr Sonder möchte jetzt schlafen. Gehen Sie! Ich hoffte, dass andere Leute im Haus was mitbekamen, aber niemand öffnete überhaupt einen einzigen Türschlitz. Der Anorak sagte: Sind Sie mit Herrn Sonder verwandt? Ich brüllte: Nein, ich rufe jetzt die Polizei , lief in meine Wohnung und wählte die Nummer der Polizei: Lola Brzozadrzewska, mein alter Nachbar wird gerade von einem mysteriösen Menschenfängerkommando des Bezirksamts Mitte aus seiner Wohnung abgeholt. Er braucht Hilfe. Die männliche Stimme am Telefon sagte teilnahmslos: Wir sind bereits informiert. Ich knallte den Hörer auf die Gabel. Ich fasste es nicht. Die Männer befanden sich mittlerweile mit Herrn Sonder im Treppenhaus. Sie führten ihn nach Ochsenzoll ab, ins Irrenhaus. Ich zitterte. Ich war kurz vor dem Durchdrehen. Bloß wer sollte mir da helfen? Das konnte doch nicht wahr sein. Die Polizei war bereits informiert! Ich war echt machtlos und hatte dazu noch das Gefühl, dass für mich auch eine Gefahr bestand. Wenn ich zu viel Ärger machte, würden mich diese Typen ebenfalls mitnehmen und wie Herrn Sonder in die Klapse bringen. Und das alles nur, weil irgendeinem Arsch im Haus der alte Mann unheimlich vorkam. Er trippelte alle paar Tage im Schneckentempo die drei Stockwerke runter und hoch, um sich die Schweineohren zu besorgen. Mein Gott, natürlich sah das bescheuert aus, wie Herr Sonder auf der Treppe völlig außer Puste war, wie er mit den Armen fuchtelte, seine Klappmesserübungen machte und hilflos nach Luft schnappte. Ich hatte ihn öfters dabei angetroffen. Ich hatte immer gefragt: Herr Sonder, geht es Ihnen gut? Und er hatte stets leise geantwortet: Ja, ja, das wird schon. Jedes Mal schaute ich fünf Minuten später noch mal nach ihm, aber er lag nie mehr da. Er schaffte es immer, sich von der Atemnot zu erholen, die ihm das Treppensteigen bereitete. Der Typ war für sein Alter außergewöhnlich fit. Er benutzte nicht mal einen Stock, geschweige denn einen Rollator. Er lebte in einem Haus ohne Fahrstuhl und hatte trotz des stolzen Alters von fast einhundert Jahren nach wie vor alle Haare auf dem Kopf. Er trug auch keine Brille, kein Hörgerät, keinen Herzschrittmacher. Herr Sonder war ein Phänomen. Er war 1901 geboren worden. Er lebte als Matrose in der ganzen Welt. Er versorgte sich bis ans Ende seiner Tage selbst. Seine Würde ehrte niemand. Stattdessen schob ihn der Staat mit neunundneunzig Jahren ins Irrenhaus ab. Dort gab Herr Sonder seinen Geist nach dreißig Tagen auf. Sein Schicksal erschütterte mich zutiefst.

XIII
    Es gibt viele Gründe, Alkohol zu trinken. Die Leute tun es, um sich zu entspannen, um sich zu enthemmen, um die Sorgen zu vergessen, um die Persönlichkeitsmacken zu etablieren, den Arbeitsdrang zu demoralisieren, die Grenzen zu überschreiten, die Tränen fließen zu lassen. Ich hatte schon mit dreizehn begonnen, Alkoholerfahrungen zu sammeln, und war mit meinen mittlerweile einundvierzig Jahren trinkfester als jeder ›Bildzeitungs‹-Redakteur, Staatsmann oder Matrose. Ich konnte saufen wie ein Loch, wie ein Mann, wie ein Pferd. Auf meinen Partys verabreichte ich immer nur Wodka, damit bloß keine Langeweile aufkam. Von Wodka wurden die Leute selig, mutig und geil. Wer Wodka getrunken hatte, den konnte ich zu jedem Quatsch anstiften. Und darum ging es. Ich fühlte mich am wohlsten, wenn ich die Menschen animieren konnte. Deswegen wurden Partys und Performances, Radio- und Bühnenshows, Orgien und mobile Fickkommandos nach und nach zu meinem Metier. Meine professionelle Karriere hatte zehn Jahre zuvor begonnen. Da gewann ich in Oberhausen für ›Grabowski, Haus des Lebens‹ den Grand Prix. Als ich den Preis entgegennahm, buhte das Publikum. Trotzdem brachte mir der Film viel Anerkennung, und ich konnte seitdem mit kleinen Budgets aus

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