Hausverbot
wohlduftenden Donald-Duck-Kaugummis aus den USA verband. Und Russland, das waren die überschminkten Schmugglerinnen, die auf dem Wochenmarkt genau diese Kaugummis vertickten. Alleine wie sie aussahen: blaue Lidschatten, gelbe Wimpern, rote Wangen, rosa Lippen, orange Pullis, grüne Hosen, violette Schuhe. Sie rochen nach russischen Parfüms. Horror. Sie verkauften auch Produkte mit der Aufschrift Made in USSR , die grundsätzlich ranzig oder kaputt waren. Vor sowjetischer Qualität wurde man tüchtig gewarnt. Sachen, die nicht funktionierten, beschimpfte man als ruska robota , als russische Arbeit. Taxifahrer erzählten sich, dass die Sowjets den Mercedes kopiert hätten. Sie hätten den Wagen auseinandergenommen und als Wolga nachgebaut. Jedenfalls passten die Ersatzteile von Mercedes in die Wolgas, wenn man sie etwas breiter nachschleifte. Dann gab es noch diesen Mythos mit dem Kannibalismus. Im Winter sanken russische Temperaturen auf vierzig Grad unter null. Viele Penner erfroren auf der Straße. Deren Leichenteile wurden angeblich auf dem Schwarzmarkt als Fleisch aus Polen verkauft. Auch sollen sich in der Sowjetunion die Nachbarn hin und wieder gegenseitig aufgegessen haben. Diese grausigen Geschichten waren nicht der wahre Grund, warum die Russen so ein brutales Image bei den Polen hatten. In Wirklichkeit wurden sie gehasst, weil sie den Polen nach dem Zweiten Weltkrieg den Kommunismus aufgezwängt hatten. In den Schulen mussten die Polen deren nachteilige Sprache lernen, im Fernsehen deren langweilige Kriegsfilme sehen. Zumal ausländische Filme in Polen nicht synchronisiert wurden. Der polnische Simultanübersetzer quatschte alle Dialoge und Geschlechter auf den leise gedimmten Originalsoundtrack. Der russische Anteil der ausländischen Fernsehfilme betrug neunzig Prozent. Die Simultanübersetzer hatten gut zu tun. Sie leierten eintönig rum. Gähn. Ihre müden Stimmen machten die Filme noch öder. Aber wenn am Samstag ›Colombo‹ lief, freute sich die ganze Bevölkerung, und zwar nicht auf den Obertrottel Peter Falk, sondern auf Jan Suzin. Er sprach nur amerikanische Filme und war ein Star unter den Filmdolmetschern, genannt Speaker. Mit der Stimme von Jan Suzin war jeder Film spannend. Die Speaker waren streng an die Sprachen der Filme gekoppelt. Falls ein Speaker für russische Filme aus Versehen einen amerikanischen Film sprach, schimpften die Leute wochenlang.
Die Party war gut im Gange. Ich tanzte zu James Brown mit James Jens. Ich tanzte auch mit anderen Männern, fummelte an ihnen und versuchte, ihnen die Oberteile auszuziehen. Das war mein Hobby aus der Zeit vor James. Darin war ich wie eine Triebtäterin. Sobald ich auf eine Party kam, musste ich es tun. Ich war nicht bloß auf Männer spezialisiert. Frauen zog ich auch aus. Frauen ließen sich vergleichsweise lieber als Männer ausziehen, vorausgesetzt, sie trugen drunter einen schwarzen BeHa. Wenn ich merkte, dass jemand nicht alleine war, machte ich mich zuerst an die Begleitung ran. Daraus ergaben sich meist Bettgeschichten. Einmal schaffte ich es sogar, den ganzen Tanzsaal auszuziehen. Ich selber kletterte auf einen Tisch und strippte über den Halbnackten als Königin der Party. Diese Ausziehereien machten den Leuten großen Spaß. Sie befreiten sie von Smalltalk und Etikette. Mir brachten sie ordentlich Adrenalin und Endorphine. Allerdings lag ich die Tage darauf völlig depressiv im Bett und traute mich nicht auf die Straße. In dieser Zeit entwickelte ich auch eine starke Affinität zur Camouflage. Alsbald ging ich nur noch in Perücken aus. Ich trug die Dinger auch im Alltag. Ich mochte meine Naturhaare nicht. Ich besaß irgendwann um die fünfzig Perücken. Trotzdem wurde ich in der Szene immer erkannt. Weil meine Perücken auffällig, farbig, künstlich waren. Der gemeine Bürger beleidigte mich im Vorbeigehen: Hey, Perücke, der Fasching ist längst vorbei. Der kulturnahe Szenegänger zischte mir hinterher: Coole Frisur, fesches Outfit, her damit. Auch an der HaEfBeKa bekam ich mal ein Kompliment: Aus diesen Haaren bastle ich mir einen Pinsel und male damit mein nächstes Bild für die Art Cologne. Inkognito. Ich war mir meiner Wirkung bewusst. Dennoch wurde ich immer seltener zu Partys eingeladen. Ich hörte auch, dass vor mir gewarnt wurde. Egal war mir das nicht. Einmal zog ich Markus aus. Wir hatten anschließend Sex auf dem Klo und noch eine kurze Affäre. In dieser Zeit gingen wir jeden Abend zusammen aus. Markus ahmte mich
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