Hausverbot
kleidete sich sehr auffällig, beinahe tuntig. Grüne Krawatte, kariertes Sakko, blondiertes Haar. Wie sein Vorbild Immendorff trug er zuhältermäßig große Ringe an den Fingern. Er benahm sich wie ein überheblicher, arroganter Aufschneider. James hatte von nichts eine Ahnung, aber deswegen auch keinerlei Komplexe. Er mimte den Meister in allem. Das musste man erst mal bringen. Das sollte ihm mal einer nachmachen. James, der große Angeber vor dem Herrn, das konnte nicht jeder sein. James, der Prahlhans von der HaEfBeKa, degradierte jeden seiner Kommilitonen zu einem Würstchen. Eindeutig war ich auf diesen Haudegen reingefallen. Noch vor meiner Polenreise fand ich ihn unglaublich amüsant. Er war für jeden Unsinn zu haben, den ich mir ausdachte. Auf einer Lerchenfeldparty hatte er mir geholfen, den Hauptstecker aus der Starkstromanlage zu ziehen. Ich musste die unerträgliche Kommerzmusik abschalten. Diese geile Aktion hätte ich ohne ihn nicht vollbracht. Schon alleine deswegen, weil ich als Frau nicht so viel Kraft in den Armen hatte. Der Hauptstecker hatte die Größe eines Elefantenfußes, zu dem ein dickes Kabel von fünf Zentimeter Durchmesser führte. Der Strom fiel aus. Aus den Boxen kam kein Ton mehr. Die Leute guckten blöd aus der Wäsche. Das Wachpersonal lief wirr rum und wechselte die Sicherungen aus. Was natürlich nichts half. Währenddessen genoss ich still für mich meine Blutige Marie.
Meine mutige Idee wurde groß, weil ich sie in die Tat umgesetzt hatte. Ohne James an der Seite waren bis dato viele meiner wilden Vorhaben gescheitert. James steigerte meine Motivation. Er schien der Richtige für mich zu sein. Seitdem ich ihn kannte, traute ich mir viel mehr zu. Auch dass ich mich augenblicklich für das Kind entschieden hatte, war ein Beweis dafür. Trotzdem wollte ich nicht mit James in einer Wohngemeinschaft leben. Davor grauste es mir. Er hatte die Wand durchgebrochen und fertig. Er hatte sich nichts dabei gedacht. Die Familiengründung passte ihm wunderbar in den Kram. Er war ja notorisch pleite. Endlich hatte er die Berechtigung, alle Zuschüsse in Anspruch zu nehmen, die es vom deutschen Staat gab. Er hielt mir Plädoyers über Sozialhilfe, Umzugsgeld, Einrichtungsgeld, Wohngeld, Kindergeld, Betreuungsgeld, Erziehungsgeld, Unterhaltsgeld. Er schien sich damit ganz gut auszukennen. Er schlug sich in diesem Land schon länger durch. Er entstammte der Achtundsechziger-Studentenrevolte. Sie hatte Spuren an ihm hinterlassen. Er hatte sich seitdem nicht mehr exmatrikuliert. An der HaEfBeKa absolvierte er bereits sein drittes Studium. Als Künstler wollte er einfach nur berühmt werden, egal womit. Hauptsache, der Groschen kam ins Rollen. Er hatte kein Geld und redete dauernd davon. Statt seinen künstlerischen Weg zu finden, machte er den ganzen Tag am liebsten gar nichts. Er wartete, bis sich irgendwelche Vorteile für ihn ergaben, wie eben das mit der Familie. Er hatte sofort Zeit dafür. Schlecht fand ich das nicht. Deswegen ließ ich mich auf ihn auch ein. Bloß dass wir jetzt in einer Bude aufeinanderhocken sollten, machte mir Angst. Als ich von Anton auf dem Flughafen in Warschau Abschied genommen hatte, verschwand meine Kindheit. Dann brach meine Jugend zusammen, weil James unsere Studios verband. Damit wollte ich mich nicht abfinden. Ich wollte nicht zulassen, dass ich immer wegen Männern das Beste im Leben verlor: Das macht ihr nicht mit mir, meine Herren. Diesmal wird mir keiner die Butter vom Brot stehlen.
Ich war stinksauer. Mir wurde klar, dass ich von nun an James für eine lange Zeit an der Backe hatte. Ich steckte in der Patsche. Die Vorstellung, in einer Familienzelle gefangen zu sein, bedrohte mich. Nur weil ich Mutter werden wollte, hatte ich nicht vor, mich wie die gemeinen Bürger zu verhalten. Ich wollte mein freies Leben nicht aufgeben. Ich wollte mich weder kontrollieren lassen noch zu irgendwas gezwungen fühlen. Ich wollte nicht immer Rapport halten, wenn ich zu spät oder gar nicht nach Hause kam. Ich wollte mich um mein Kind, aber nicht um den Mann kümmern. Mit seinen neununddreißig Jahren war James mehr als erwachsen. Ich wollte nicht seine finanziellen Löcher stopfen. Ich war ja nicht seine Mutter. Ich war lediglich seine Geliebte. Aber genau das hatte Konsequenzen. Ich hatte mit James ein sexuelles Verhältnis. Ich musste meine Promiskuität runterfahren, wenn wir zusammenwohnten. Wir hatten vorher nie darüber gesprochen. Trotzdem wusste ich, dass ich
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