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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Die Stadt war am Anfang des Jahrtausends auf Sümpfen gebaut worden. Immer noch dünstete sie aus, und immer noch verbanden sich die Bürger nicht, um etwas dagegen zu tun. Weil Solidarität in Hamburg erst gelernt werden musste. Meistens war es hier bewölkt, oder es regnete. Wenn dann mal die Sonne durchkam, dachte keiner an die Sümpfe. Alle machten früher Feierabend und flanierten wie benebelt durch die Stadt.
    Die Vögel in unserer Straße erkannten mich sofort. Ich war ja der bunteste von ihnen. Sie zwitscherten sich die Nachricht über meine Heimkehr zu und trillerten eine improvisierte Arie zu meinen Ehren. Vor der Haustür standen zwei weitere, mir unbekannte Vögelinnen in schrägen Outfits. Sie waren bestimmt Künstlerinnen wie ich. Sie fragten mich, ob ich James gesehen hätte. Ich dachte: Was geht denn ab? Da kam James schon angedackelt und sagte zu den Weibern, sie sollten mit reinkommen. Mir war das nur recht. Ich wusste, dass ich sonst mit James wegen der Autofahrt weitergestritten hätte. Ich schloss mein Studio auf, James seins. Jeder trat durch seine eigene Tür. Die Tussen latschten bei James rein. Ich machte hinter mir die Tür zu. Trotzdem hörte ich die Tussen immer noch lachen. Ich wunderte mich. Da sah ich in der Wand, die unsere beiden Studios trennte, eine Türöffnung. Wie bitte? Ich fasste es nicht. James hatte unsere Studios mit einem Durchbruch verbunden. Mir wurde schlecht. Was für mich wohl aber in dieser Zeit ein Normalzustand war, wegen der Schwangerschaft. Ich setzte mich hin. Ich schaute auf einen dunkelroten Stofflappen, den James statt einer Tür montiert hatte. Ich hörte ihn Drinks zubereiten. Ich hörte die Tussen ununterbrochen plappern. Ich hörte, wie es an der Tür von James klingelte. Ich hörte, wie er den Summer betätigte. Michael Katze platzte durch den Lappen in mein Studio und überreichte mir einen pompösen Blumenstrauß. Ich hatte keine Zeit mehr, zu staunen. Es klingelte ununterbrochen, und immer mehr Leute kamen mit Blumen und Getränken rein. Ich war absolut geflasht und glücklich und hatte James vorerst die Autofahrt und den Durchbruch verziehen. Wir tanzten. Die Party war im Gange. Es lief ein einziges Musikstück: ›Living in America‹ von James Brown. Was kein Namenszufall war. James hieß eigentlich Jens. Er liebte James Brown, und deswegen hatte er sich den Künstlernamen James zugelegt. Die neueste Spezialität von James Jens waren Performances, bei denen er live Bilder malte. Die Idee stammte von mir. Während meines Polenaufenthalts hatten wir ab und zu miteinander telefoniert. Und ich hatte ihm von meinem Live-Painting auf Leons Party berichtet. Das wollte er dann auch auf einer Premierenfeier im Thalia Theater machen. Er und sein Kumpel Bertold zogen sich weiße Ganzkörperanzüge vom Baumarkt an, um nicht erkannt zu werden. Auf die Rücken sprühten sie sich gegenseitig West und Best drauf. Die Veranstaltung wurde von der Zigarettenmarke ›West‹ gesponsert. Dazu spielten sie James Browns ›Living in America‹ als Loop ab. Dass James Jens meine Begrüßungsparty mit dem James-Brown-Loop erneut beschallte, war typisch. Er hatte bereits im Thalia Theater erlebt, dass das Abspielen des immer gleichen Stückes nervte. Deswegen wollte er die Leute liebend gerne wieder quälen. Damit machte er auf sich aufmerksam. Wer über die Musik gemeckert hätte, hätte es mit ihm zu tun bekommen. Das passierte aber nicht. Alle waren supergut drauf, und niemand beschwerte sich. Die Stimmung war spitzenmäßig. Ich begrüßte ununterbrochen neue Gäste. Ich kannte von denen höchstens ein Viertel. James hatte alle eingeladen, die er kannte. Er wollte mir unbedingt beweisen, dass der Westen mehr zu bieten hatte als der Osten. Er war auf die Party bei Leon wohl irgendwie neidisch.
    Die Ereignisse der letzten Wochen rauschten in mir wie ein Tinnitus. James Brown sang ununterbrochen sein Lied. Ich verstand nur Living in America . Ich konnte ja kein Englisch. Die einzige Fremdsprache, die ich in Polen gelernt hatte, war Russisch. Damit konnte ich weder in Polen noch in Deutschland was anfangen. Jemand hatte mal gesagt, dass Russisch für die Amis erfunden wurde. Sollten sie jemals Russland erobern, würden die russischen Geliebten ihren Amihengsten Jalubljutjebja statt Ajlovju im Bett ins Ohr flüstern. Das klänge fremd, aber irgendwie ähnlich und vor allem weich. Ich hätte in der Schule lieber Englisch statt Russisch gehabt. Weil ich Englisch mit den

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