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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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stadtbekannte Trash-Magier Manuel Muerte den Geburtskanal in mir frei. Mit seinen Tricks holte er aus meiner Vagina einen zwei Meter langen Holzstab raus, ferner fünf bis zehn riesige Gummipenisse am Stiel, zehn bis zwanzig Handpuppen, die mit Watte ausgestopfte Gliedmaßen und Windeln hatten, und zum Schluss noch eine Kette aus circa einhundert mit roter Tusche bekleckerten Damentampons in der Größe XXL . Ich wurde von innen entstopft, und ich begann lautmalerisch zu pressen. Alsbald brachte ich ein fast erwachsenes Kind zur Welt, das im weißen Kleid und einer Altergreisgummimaske aus meiner Muschi rauskroch. Zu guter Letzt schnitt Muerte mit einer Gartenschere die zwanzig Meter lange Nabelschnur durch, gab dem Neugeborenen einen Klaps auf den Poschi, worauf es zu schreien begann, und schob mich auf meinem rollbaren Geburtsbett aus dem Bühnenkreißsaal in Richtung Backstage. Während Muerte und ich uns im Affentempo für den nächsten Gig präparierten, hampelte das Kind auf der Bühne zu ›Like a Virgin‹ von Madonna. Dabei spannte es mit beiden Händen ein weißes Stück Stoff, auf das ein Beamer den Songtext karaokemäßig zum Mitsingen projizierte. Das alles war Contemporary Art vom Feinsten. Das Publikum wusste es zu schätzen. Es grölte, jubelte und pfiff vor Begeisterung und kam immer wieder zu meinen Performances. Niemand sonst in Hamburg hatte diese Form von improvisiertem Wahnsinn kultiviert, so erzählten mir das Fans, die mich nach jeder Show backstage besuchten. Meist war auch ein Szenerumhänger dabei, der Künstler werden wollte und sich quasi bewarb, dabei zu sein. Für Rollen wie die des Neugeborenen brauchte ich immer wieder freiwillige Komparsen, die aus Kostengründen umsonst auftreten mussten. Für Minimum fünf Auftritte bekamen sie von mir eine Bescheinigung für die Künstlersozialkasse. Wenn sie mehr machten, half ich ihnen die Aufnahmeformalität durchzuführen, die die KaEsKa wegen zu vieler Mitgliedschaften verkompliziert hatte. In der Szene hatte sich schon lange rumgesprochen, dass man sich über die KaEsKa versichern sollte, weil das viel billiger war, als wenn man als gewöhnlicher Selbstständiger die Krankenkasse zahlte. Daher versuchten sich ganz viele Freiberufler als Künstler zu versichern.
    Ich betrachtete den Tampon mit den Augen des Steuerheinis und wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich fragte die Gurke, wann sie sich überhaupt das letzte Mal eine Kunstausstellung angeguckt hätte. Sie gab zu, noch niemals in einer Galerie oder in einem Museum gewesen zu sein. Sie kannte aber van Gogh und Picasso vom Hörensagen. Ich sagte resigniert: Wenn diese Installation in einem Kunstkatalog abgedruckt wurde, dann ist das Kunst. Die Steuerwurst akzeptierte das nicht. Sie erteilte mir eine Geldstrafe für das Absetzen privater Ausgaben. Angeblich dürfe die Schauspielerin Barbara Auer auch nicht mehr ihre Pelze auf die Werbekosten umlegen. Ich hätte gegen das Urteil der Steuerbanane angehen können, dafür sollte ich ein Fachgutachten erstellen lassen. Der Preis dafür überstieg die Höhe der Strafe. Ich verzichtete darauf.
    Zwar wohnte ich nicht mehr mit James zusammen, aber er hauste immer noch in meinem Atelier. Er suchte sich kein eigenes Domizil, weil er keine Kohle hatte. Ich duldete diesen Zustand, solange ich ihn noch für Gina brauchte. Ich reiste viel. Ich ging mit meinen Filmen und Performances auf Tour. In der Zeit kümmerte sich James um Gina, deren Pubertät voranschritt. Sie wurde flügge und wollte immer öfters ausgehen. Dafür brauchte sie Geld. James konnte ihr nichts geben. Deswegen kriegten sich die beiden ständig in die Haare. James beschimpfte Gina als Schlampe, sie ihn als Loser. Ich musste handeln. Ich rechnete James vor, wie viel Gina kosten würde, bis sie finanziell auf eigenen Beinen stünde. Ich kam auf mehr als dreihunderttausend Mark. Absichtlich. Ich bot James an, ich würde ihm die Alimente für seine Tochter für immer erlassen, wenn er einfach gehen würde. Unglaublich. Dieser Deal kam bei James gut an. Er zog aus meinem Atelier aus. Epochal. Eine große Last fiel von mir ab. Endlich fühlte ich mich frei und glücklich. Vielleicht sogar das erste Mal im Leben. Ich musste feiern.
    Gustav drehte die Kassette um. Wir fahren zurück in die Heimat ertönte aus den Lautsprechern. Wir lachten. Wir hatten unglaublich gute Laune, sehr viel Alkohol intus und eine wahnsinnige Lust auf Abenteuer. Heute war eventuell wieder einer der Tage, an dem

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