Hausverbot
gemeine Bürger. Ich litt richtig, und die Menschheit sollte davon erfahren. Die Lesben hatten kein Verständnis dafür. Sie waren total aufgebracht. Sie brüllten mich an: Raus mit dir, du Hete, sieh zu, dass du wegkommst, nimm deinen Schwuli mit und zieh Leine, ab sofort habt ihr beide hier Hausverbot!
XII
Wir fuhren zu dritt im Auto. Gustav saß am Steuer, Adrian und ich saßen hinten. Lieder von Max Goldt liefen ganz laut von der Kassette. Wir sangen mit: Betrunkene Frauen, vereinsamte Männer, hässliche Kinder, ausgelaufene Saftpackungen . Wir erinnerten uns an meine letzte Party vor ein paar Wochen. Max Goldt war gerade nach Hamburg gezogen und kam auch zu der Party. Er kannte fast niemanden. Um seine Schüchternheit zu überwinden, betrank er sich, nahm einen Hammer in die Hand und schlug den ganzen Abend manisch Nägel in den Fußboden. Das sah zum Wegwerfen komisch aus. Damit er bloß nicht aufhörte, legte ich ihm dauernd Nachschub hin. Währenddessen hauten sich alle anderen ringsum mit leeren Plastikflaschen auf die Rüben. Diese unerwartete Gruppendynamik war aufgekommen, als Adrian und Gustav mit zwei quietschenden Scherzkeulen zu spielen begannen. Adrian war immer noch mein Lover Numero eins, Gustav hin und wieder mein Lover Numero zwei. Ich hatte eine leere Plastikflasche in die Hand genommen und mitgemacht bei ihrem Spiel. Ich kippte das Mineralwasser aus anderen Plastikflaschen ins Waschbecken und drückte sie den Gästen in die Hände. Schon kloppten sie alle wie im Saloon aufeinander ein.
Adrian hatte mir diese Keulen geschenkt, falls ich James wieder zu Gesicht bekommen sollte. Mein endgültig beendetes Haudegenverhältnis mit ihm war in der Szene bekannt. In der Beziehungsagonie prügelten wir uns häufig sogar in der Öffentlichkeit. Gina kriegte das alles leider auch mit, aber sie lief zum Glück immer weg, sobald wir aufeinander losgingen. Der letzte gemeinsame Heiligabend hatte damit geendet, dass ich den total verdreckten Elektroherd aus der Ecke in die Mitte der Küche schob. Ich wollte James seine nicht erledigte Arbeit vorführen. Daraufhin holte er meine schmutzige Wäsche aus der Waschmaschine und knallte sie auf den frisch gedeckten Weihnachtstisch, an dem Gina und Marc, unser Praktikant aus Süddeutschland, auf die Bescherung warteten. Früher, als James und ich noch ein Paar waren, hatten wir uns die Hausarbeit geteilt. Ich wusch die Wäsche, James kümmerte sich um die Küche. Seit ich mit Adrian ins Bett ging, erledigte James den Haushalt nicht mehr. Ich nahm das Waschgelumpe vom Tisch und schmiss es aus dem Fenster. Gina und Marc liefen nach draußen, um das Zeug aufzusammeln. Ich dampfte. James kochte. Um sich abzureagieren, offenbar, kippte er den Tisch samt Inhalt um. Es klirrte gewaltig. Einige Teller blieben dennoch heile. Ich bückte mich. Ich nahm ein paar ganze Teller in die Hand. Ich pfefferte sie in James’ Richtung. Der zähe Hund zog den Kopf zur Seite. Die Teller knallten gegen die Wand. James rannte aus der Küche. Ich schlug die Tür hinter ihm zu.
Auch nach dem Umzug in die Wohnung in Sankt Georg hatte ich James noch lange an der Backe. Er wollte sich partout nicht trennen. Er meinte, er hätte meine künstlerische Karriere aufgebaut, und verlangte dreihunderttausend Mark Abfindung. Was natürlich lächerlich war. Mein Einkommen lag unter dem Existenzminimum. Mühselig erwirtschaftete ich mir den Lebensunterhalt über Lehraufträge, sporadische Stipendien und Projektförderungen sowie gelegentliche Bühnenauftritte. Finanziell ging es mir nicht besonders gut, aber im Vergleich zu früher trotzdem besser, als ich noch die Leinwände und die Schrottkiste von James zahlen musste. Für mich und Gina hätte das knappe Geld sogar gereicht, wenn ich bloß keine Kosten für meine Kunstproduktionen gehabt hätte. Aber diese mussten ja sein, sonst bekam ich keine Kulturgelder. Um meine Ausgaben bei den Förderinstituten abzurechnen und von der Steuer absetzen zu können, sammelte ich für alles Quittungen, führte Buchhaltung, erstellte Bilanzen. Am Ende machte ich immer Minus und musste dem Finanzamt plausibel erklären, wovon ich eigentlich gelebt hatte. Das Finanzamt schickte mir auch regelmäßig einen Steuerprüfer auf den Hals, der meine Wohnung und mein Atelier begutachtete, meine Belege, meine Publikationen und die Rezensionen über mich durchforstete. Das hing natürlich mit der losen Buchhaltung in den Plastiktüten zusammen. Leider stieg ich da nicht ganz
Weitere Kostenlose Bücher