Haut aus Seide
schienen sich tröstende Küsse zu geben. Am liebsten hätte sie ihn zurück ins Bett gezerrt und ihn dort bis zum Morgen behalten.
»Lass uns was essen«, erklärte sie und erhob sich, ohne seine Hand zu ergreifen.
Simon wusste es – sie war ganz kurz davor, ihn nach Hause zu schicken. Er wusste es, weil er an ihrer Stelle genau dasselbe getan hätte. Simons Gespielinnen blieben nie über Nacht. Simons Gespielinnen schafften es nicht mal, in seine Wohnung vorzudringen.
Diese eine Hürde muss ich noch überwinden , dachte er. Wenn sie mich über Nacht bleiben lässt, habe ich gute Karten.
Lela schaltete das Ofenlicht ein, um ihrer beider Augen nicht der brutalen Helligkeit der Deckenbeleuchtung
auszusetzen. Der Schein der Lampe legte sich über ihre nackten Kurven, die festen Brüste, ihren Bauch und die schlanken, gebräunten Beine. Simons Schwanz zuckte, und er konnte es nicht verbergen. Keiner der beiden hatte sich nach dem Aufstehen etwas angezogen. Er fühlte sie frei, gleichzeitig aber auch verletzlich, hocherfreut, gleichzeitig aber auch pikiert. Ob Lela mit all ihren Liebhabern so in der Wohnung herumhopste?
Er wusste, dass er sich besser nicht an dieser Frage festbeißen sollte, und beschäftigte sich stattdessen mit dem Abräumen des Geschirrs. Die Erinnerung, wie er sie nach dem Essen direkt ins Bett getragen hatte, ließ seinen hängenden Schwanz um einige Zentimeter wachsen.
»Ich hätte Eiscreme anzubieten«, erklärte sie und versuchte das Summen der Abzugshaube zu übertönen. »Praline oder Chocolate Chip.«
»Wie wär’s mit beidem?«
Sie lächelte, stellte die lärmende Abzugshaube ab und holte zwei Schälchen aus dem Schrank. Als sie beide an dem wackeligen Tisch saßen, sah er, dass sie dasselbe für sich gewählt hatte. Das schien ihm ein gutes Omen zu sein. Sie aßen schweigend. Die an das Porzellan stoßenden Löffel verursachten die einzigen Geräusche im Raum. Als Simon seine Schale zur Hälfte geleert hatte, hielt er inne.
»Lela.«
Als sie aufsah, glich ihr Gesichtsausdruck für einen Moment dem offenen Blick eines Kindes. »Ja, Simon?«
»Ich bin nicht sicher, wie ich es am besten sagen soll, aber als ich deine Familie ansprach, da dachte ich … Also, du sollst wissen, dass Graves nicht mein leiblicher Vater ist. Ich wurde adoptiert, denn ich bin ein Waisenkind.«
Ihr Gesichtsausdruck war völlig leer. Ihre Lider sanken nach unten, sodass die Wimpern Schatten auf ihren Wangen warfen. »Und Andrew wusste das.«
»Ja. Er hat versucht, uns zu verkuppeln. Ich glaube, er hat das getan, weil wir einen ähnlichen Hintergrund haben.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wurde nicht adoptiert.«
Aber sie stritt nicht ab, dass sie eine Waise war. Simon hatte das Gefühl, sein Herzschlag würde aussetzen. Er dachte an die schrecklichen eineinhalb Jahre, als die Welt für ihn zusammengebrochen war und es den Anschein gehabt hatte, als würde nie wieder eine neue entstehen können. Denselben Schmerz spürte er auch in Lela: Verlorenheit, Hilflosigkeit, Zorn. Vielleicht hatte er es schon die ganze Zeit gespürt. Er betrachtete seine Hände, die das Eisschälchen umklammerten. Sie waren zu groß, zu rau, um der schwierigen Aufgabe des Trostspendens gewachsen zu sein. Simon besaß einfach nicht die Freundlichkeit seines Adoptivvaters, sondern höchstens den guten Willen zu helfen. Er wartete, bis Lela seinen Blick erwiderte. »Wie alt warst du, als du deine Eltern verloren hast?«
»Acht«, erwiderte sie und sprang unmittelbar auf.
Lela trug beide Schälchen zur Spüle, obwohl weder sie noch Simon ihr Eis aufgegessen hatten. Ihre Bewegungen waren angespannt, als wären ihre Sehnen durch Drähte ersetzt worden. Simon biss sich auf die Zunge. Warte , dachte er bei sich. Warte. Würde sie mehr verraten, dann ganz sicher nicht, wenn er sie drängte. Irgendwann drehte sie den Wasserhahn zu und trocknete ihre Hände am Geschirrtuch ab. Lela begann zu sprechen, sah ihn dabei aber nicht an. Ihre Stimme war fest und tief.
»Mein Vater wurde von dem Besitzer des Ladens erschossen, den er auszurauben versuchte. Nachdem er gestorben war, ging es mit meiner Mutter rapide bergab. Sie war nicht dafür geschaffen, für sich selbst zu sorgen, geschweige denn für ein Kind. Dazu hatte sie zu viel mit sich selbst zu tun, wenn du weißt, was ich meine. Sie hat mich tagelang allein gelassen, während sie Freier an Land zog oder sonst wie versuchte, jemanden fürs Bett zu finden. Manchmal war ich sogar
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