Haut aus Seide
Abwesenheit sorgfältig vorbereitet sein. Seit ihrem ersten gemeinsamen Abend hatten sie jede Nacht in ihrer Wohnung verbracht. So hatte sie sich allein schon körperlich an seine Anwesenheit gewöhnt. Zur weiteren Ablenkung deckte sie sich mit Eiscreme und Zeitschriften ein und lieh sich drei Actionfilme aus der Videothek an der Ecke. Zusätzlich hatte sie sich alle Requisiten für eine Pediküre, eine Maniküre und eine Gurken-Kiwi-Maske besorgt. Sie würde das Wochenende also auf keinen Fall damit zubringen, Simon zu vermissen.
Das hatte sie sich zumindest selbst versprochen. Am frühen Sonntagmorgen jedoch war sie gezwungen, ihre Niederlage einzugestehen. Sie saß bequem in ihrem dunkelblauen Butterfly-Sessel und tat so, als lese sie die neueste Elle . In der Ausgabe fand sich ein Artikel über neue Schmuckdesigner. Obwohl der Bericht faszinierend und auch wichtig für ihre beruflichen Ziele war, ertappte sie sich dabei, wie sie ein und denselben Absatz wieder und wieder lesen musste, um ihn zu begreifen.
Die körperliche Sehnsucht war auch durch ihren erprobten Vibrator nicht zu stillen. Dabei wollte sie nicht mal mit Simon sprechen. Sie wollte ihn einfach nur bei sich haben. Er sollte auf seinem Lieblingsplatz auf der Couch sitzen, wo sie den Kopf in seinen Schoß legen, ihm vielleicht in den Oberschenkel beißen oder sich in seinen Schritt kuscheln konnte, bis sein monströser Schwanz den Reißverschluss zu sprengen drohte. Sein Penis sollte sich nach ihrem Körper und den feuchten Zungenschlägen sehnen, bis sie schließlich auf dem Teppich landen, sich die Kleider vom Leib reißen und es einfach tun würden. Heiß und schnell, hart und verschwitzt – wie Ringkämpfer, die ihren Gegner auf die Matte drücken wollen.
Lela bedeckte ihr Gesicht.
Das war kein gutes Zeichen.
Noch bevor sie groß darüber nachdenken konnte, griff sie nach dem Telefon. Die letzte Begegnung mit Bea hatte zwar nicht gerade ein überschwängliches Ende genommen, aber vielleicht war ein Gespräch unter Frauen genau das Richtige, um den Faden wieder aufzunehmen.
Bea meldete sich erst nach dem siebten Klingeln. Sie war ganz außer Atem.
»Hab ich dich zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt?«
»Nein, nein. Ich bin nur aus dem Studio hergerannt. Ich habe ein neues Bild angefangen.« Sie lachte und klang jünger und glücklicher, als Lela es je bei ihr erlebt hatte. »Eigentlich habe ich es drei Mal angefangen. Und jedes Mal ist es größer geworden. Jetzt ist es groß genug, um mein gesamtes Atelier auszufüllen. Ich bin wie besessen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Farbe ich schon verschwendet habe. Gut, dass Maman mich zu einer reichen Erbin gemacht hat. Sonst wäre ich längst pleite.«
Lela schluckte den automatisch einsetzenden Impuls hinunter, die Mutter ihrer Freundin zu verteidigen. Dafür war Bea eigentlich nie in der Stimmung. »Freut mich, dass es bei dir so gut läuft.«
»Es läuft fantastisch!« Beas Stimme wurde ein bisschen tiefer, so als wolle sie Lela ein Geheimnis verraten. »Ich glaube wirklich, dass dieses Bild etwas ganz Besonderes wird. Ich meine, wer weiß, was die Kritiker davon halten werden, aber es ist das Beste, was ich je gemalt habe. Das Allerbeste.«
Lela murmelte gerade etwas Zustimmendes, als Bea sie unterbrach.
»Oh! Das hätte ich ja fast vergessen. Mir ist etwas total Merkwürdiges passiert. Da kam ein Anruf von einem Typen aus Amerika, der Dias von all meinen Bildern haben wollte. Er meinte, er hätte ein Bild von mir bei Meilleurs Amis gesehen. War das etwa das, was ich dir überlassen hatte?«
»Ja. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel. Die Boutique war bisher wie eine Mönchszelle dekoriert, und die Filialleiterin sagte, ich könnte es aufhängen.«
»Ach, du arbeitest ja jetzt in dem Laden. Wie läuft’s denn so?«
»Ganz gut.« Aber plötzlich spürte Lela eine gewisse Hemmung, ihre Triumphe mit der Freundin zu teilen. Betrachtete sie das Ganze vielleicht viel zu positiv? Würde in Wirklichkeit gar nichts aus ihren Plänen werden? Sie drehte sich in dem Sessel und klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr. Dann packte sie einen ihrer Knöchel – die fuchsrote Pediküre war wirklich scharf. Erzähl ihr von Simon , dachte sie und ignorierte dabei das schneller werdende Klopfen ihres Herzens. Deshalb hast du sie doch angerufen. »Aber in dem Laden ist auch noch etwas anderes passiert. Ich habe einen Mann kennengelernt.«
»Lass mich raten«, gluckste Bea. »Er
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