Hautnah
es ihr um die nackten Schultern legte. »So wunderschön.« Abermals landete seine Hand auf ihrem Schenkel.
Lara roch das schwache, süßlich strenge Aroma von Verwesung in der Tierhaut.
»Das heißt, du wusstest, dass wir hierherkommen wollten.« Sie wollte ihn am Reden halten, damit er ihr nicht mehr so nahekam. Trotz des Geruchs war sie dankbar für den Schutz, den ihr das Rehfell bot. Sie zog es fest um sich.
»Nein. Lass es offen. Bitte. Damit ich dich anschauen kann«, bat Stephen und zog die Tierhaut so zurecht, dass Lara wieder entblößt war. »Ach, Lara. Du begreifst es immer noch nicht, oder? Glaubst du im Ernst, James wollte Marcus für seinen Macbeth haben? Ich musste ihn lange bearbeiten, das kann ich dir sagen. Es wurde ziemlich kostspielig!«
»Kostspielig?«
»Vollständig einklappbare Sitze, zu acht verschiedenen Formationen umbaubar. Maßgefertigt und mit dem teuren roten Stoff bezogen. Schon wieder deine Lieblingsfarbe.«
»Du meinst, du hast James bestochen, damit er uns hierherholt?«
»›Aber Stephen‹.« Stephen gelang eine vollendete Imitation von James’ Akzent und Modulation. »›Wir brauchen dringend mehr Unterkünfte für unsere Schauspieler. Und das Larssen-Haus ist so ein Schnäppchen .‹ Ich bin froh, dass du mein Werk so überzeugend fandest, Lara«, fuhr er in seiner eigenen Stimme fort. »Schließlich wollte ich nicht, dass du und Marcus hier ein kleines Liebesnest vorfindet.«
»Du hast dir die Larssen-Geschichte ausgedacht?«
»Natürlich nicht. Schrecklich, oder? Aber sie hat mich inspiriert, und ich habe in dem alten Haus ein bisschen gezaubert. Ein schöner alter Teppich, eingeweicht in den Innereien eines Rehs – dasselbe Reh, dessen Fell du gerade umhast, wie es der Zufall will. Ein paar Fotos. Ein Bett. Ketten.« Er ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen, als wäre es eine Erdbeere. »Ich habe sogar ein Stück von einer toten Ricke unten im Keller versteckt, für das authentische Geruchserlebnis. James und Betty hatten wie erwartet alle Hände voll zu tun und waren heilfroh, dass ich mich um alles gekümmert habe. Nicht, dass sie jemals eine meiner Entscheidungen in Frage stellen würden. Sie versuchen ihr Bestes, sich locker zu geben, aber in Wirklichkeit sind sie zwei ausgemachte kleine Starficker, genau wie alle anderen. Es war kein Kunststück, ihre ›Freundschaft‹ zu erlangen, wenn man es so nennen kann, damit sie mir dabei helfen, meinen Plan in die Tat umzusetzen.«
»Sie wissen über alles Bescheid?«, fragte Lara.
»Nein.« Stephen lachte. »Nur so viel, dass sie für mich von Nutzen sein können. Ich wusste, dass James irgendwann in grauer Vorzeit Marcus’ Schauspiellehrer gewesen war, also habe ich ihn ausfindig gemacht. Und die Geschichte mit der Stalkerin – die mir wirklich sehr zugesetzt hat, Lara, ungelogen –, nun ja, die hat sich als überaus praktisch erwiesen, weil dadurch Bettys Muttergefühle geweckt wurden. Danach hatte ich die beiden endgültig auf meiner Seite. Sie haben sich rührend um mich gesorgt.«
»Aber die Stalkerin ist doch nach wie vor ein Problem für dich«, sagte Lara.
Stephen hielt inne. Einige Sekunden lang saß er mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen regungslos da und musterte sie. Dann schnellte er in die Höhe.
»Also, ich würde sagen, um Elizabeth Sanders brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen«, erklärte er. »Ich bin gleich wieder da, rühr dich nicht vom Fleck.« Damit verschwand er im Bad.
Was meinte er damit? Nun, da sie endlich allein war, hielt Lara im Raum nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau. Sie wusste, dass er sämtliche Türen abgeschlossen hatte, und vor den Fenstern waren fest installierte Fliegengitter. Sie jubelte innerlich, als sie ihre Handtasche auf dem Küchentresen erspähte. Dort hatte sie sie kurz nach ihrer Ankunft hingelegt, als die Welt noch eine ganz andere gewesen war.
Sie zog sich das Rehfell fester um den Körper, schlich zu ihrer Handtasche und schüttete den Inhalt auf dem Tresen aus. Fieberhaft wühlte sie sich durch Portemonnaie, Schlüssel, Tabletten, Ventolin und Schminkutensilien. Die Sachen kamen ihr fremd vor, als gehörten sie einer anderen Person. Sobald sie ihr Handy gefunden hatte, entsperrte sie es mit zitternden Fingern. Doch dann erkannte sie, dass sie keinen Empfang hatte, und stöhnte auf. Sie warf das Handy weg und schaute sich in panischer Verzweiflung um. In ihrem Fellkleid glich sie eher einem wilden Tier als der Frau, die sie
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