Hautnah
früher einmal gewesen war. Ihr Blick blieb am Festnetztelefon hängen, das Stephen beim Braten des Rühreis neben den Herd gelegt hatte. Mit einem Satz hatte sie es sich geschnappt und tippte blitzschnell die Nummer ihres Hauses in Trout Island ein. Doch als sie den grünen Knopf drückte, um die Verbindung herzustellen, schallte zu ihrem Entsetzen die Melodie der Tastentöne durchs ganze Haus.
Die Badezimmertür flog auf. Stephen kam herausgestürzt, entriss ihr das Telefon und schleuderte es in die Spüle, die voll war mit kaltem Abwaschwasser. Dann wirbelte er zu ihr herum. Sein Kiefer zuckte.
»Ich habe doch gesagt, ich kümmere mich darum«, sagte er. »Wir müssen im Augenblick niemanden anrufen. Alle glauben, dass wir wegen des umgestürzten Baums hier oben festsitzen.«
»Aber glaubst du nicht, dass sie früher oder später ins Grübeln kommen werden?«, wandte sie ein. »Sie könnten jemanden hier raufschicken, der mich abholt, und ich könnte dann einfach über den Baum klettern. Oder jemand kommt her, um sich die Sache anzusehen.«
»Warum um alles in der Welt sollten sie das tun? James und Betty werden sich für mich freuen, weil du hier bei mir bist. Marcus wird sich von der liebreizenden Selina umsorgen lassen. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll«, fuhr Stephen fort, während er die Sachen, die Lara auf dem Küchentresen ausgeschüttet hatte, zusammenschob und zurück in ihre Tasche räumte, »wenn ich ganz ehrlich sein soll, würde es mich nicht wundern, wenn James genau in diesem Moment Marcus davon erzählt, dass er hier hochgefahren sei und den Baum mit eigenen Augen gesehen habe, und dass es keine Möglichkeit gebe, daran vorbeizukommen, auch nicht zu Fuß.«
Lara hielt das Rehfell umklammert und stand mit offenem Mund da.
»Also, ich finde, auf dem Sofa hätten wir es bequemer, meinst du nicht auch? Möchtest du dir gerne einen Film ansehen?«
Er führte sie zurück in den Wohnbereich. »Ich glaube, das brauchst du jetzt nicht mehr.« Er zog ihr das Rehfell von den Schultern. »Jetzt sitzt du ja nicht mehr unter dem großen alten Ventilator.«
Er ließ sich neben ihr nieder, durchsuchte eine Liste von Filmen auf seinem iPad und traf seine Auswahl. Mit Hilfe einer Fernbedienung schaltete er den großen Flachbildfernseher ein.
Der Vorspann seines allerersten Films lief über den Bildschirm.
»Ich dachte, wir machen eine kleine Retrospektive meiner alten Werke.« Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Wir fangen ganz am Anfang an. Was meinst du?«
»Brillant«, lautete Stephens Urteil, nachdem sie neunzig Minuten lang seinem jüngeren Selbst zugesehen hatten. Lara hatte den Schmerz gesehen, den er damals bei den Dreharbeiten zu seinem ersten Film in sich getragen hatte. Er war ein wunderschöner Mann gewesen, und die Jahre hatten seinem Aussehen nichts anhaben können. Allerdings war »wunderschön« mittlerweile nicht mehr das Wort, mit dem sie Stephen beschrieben hätte. Wenn er eins nicht war, dann schön.
»Du bist müde«, meinte er, als er den Fernseher ausschaltete, sie bei den Händen nahm und ihr aufhalf. »Wie wäre es mit einem Nickerchen?«
»Mir geht es gut, wirklich. Danke.« Lara versuchte, ihm ihre Hände zu entziehen. Sie kam sich so nackt vor.
»Unsinn. Komm mit. Das ist jetzt unser Leben, Lara.« Und er führte sie nach oben ins Schlafzimmer, wo das Bett noch Zeugnis von den Geschehnissen der vergangenen Nacht abgab, befleckt mit dem Rot von Rosenblättern und ihrem Blut.
»Leg dich hin!«, forderte er sie auf. »Auf den Bauch.«
Was kommt jetzt?, dachte sie, als sie ihn durchs Zimmer gehen hörte. Die Matratze senkte sich, als er zu ihr zurückkam und sich neben ihren Arm kniete. Er goss ihr etwas Feuchtes auf den Rücken, und der Geruch von Orangenbäumen in voller Blüte stieg ihr in die Nase. Unwillkürlich musste sie an den billigen Frühlingsurlaub denken, den sie mit Marcus zusammen in der Nähe von Sevilla verbracht hatte, als die Zwillinge noch klein gewesen waren. Nichts als Sonnenschein und Gelächter.
Ihr war, als hätte sie jemand mit einem brutalen Tritt aus dem Schlaf gerissen. Sie waren glücklich gewesen. Sie hatte ein gutes Leben gehabt. Und jetzt hatte sie es endgültig und unwiederbringlich zerstört.
Dann waren Stephens Hände auf ihr, sie rieben und kneteten und klopften ihren Körper, bis sie an nichts mehr denken konnte. Während er sie bearbeitete, ihr Rücken, Beine und Kopfhaut massierte und ihr das Öl in die Haare rieb,
Weitere Kostenlose Bücher