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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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der Sonnenbrille, deren Gläser, wie sie erst jetzt feststellte, gesprungen waren. »Ist das auch nur eins von deinen Kostümen? Hast du dich bloß als sie verkleidet?«
    »Zieh den Mantel aus!«
    Lara schüttelte den Kopf. Sie hatte angefangen zu weinen.
    » DU MACHST «, brüllte er, » WAS ICH DIR SAGE !« Er griff nach dem Mantel und riss ihn ihr vom Leib.
    »Schon besser«, sagte er, schlagartig beruhigt. Er wich einen Schritt von ihr zurück, holte tief Luft, schwang sich das Gewehr über die Schulter und lehnte sich dann gegen den Türstock. »Denk doch mal eine Minute nach, Lara.« Er sprach langsam und ruhig, wie zu einem Kind. »Wie hätte ich denn Elizabeth Sanders sein sollen? Ich saß am Steuer, als wir aus dem Zirkus zurückgekommen sind und sie uns beinahe von der Straße gedrängt hätte, schon vergessen? Sie HÄTTE UNS UM EIN HAAR GETÖTET .« Er schloss die Augen, und als er einatmete, blähten sich seine Nasenflügel. Er rang um Fassung. Dann lächelte er wieder und sah sie an. »An zwei Orten gleichzeitig zu sein, das bringe nicht mal ich fertig.«
    »Ich bin so durcheinander.« Lara legte die Hände vors Gesicht und versuchte, jeden Gedanken an ihn zu verdrängen.
    »Falls du es unbedingt wissen willst, Lara: Die ursprüngliche Elizabeth Sanders hat es wirklich gegeben. Allerdings gibt es sie jetzt nicht mehr, deshalb war ich gezwungen, eine neue anzuheuern. Es musste jemand sein, der knallhart war und dringend Geld brauchte. Betty hat mir Trudi Staines auf dem Silbertablett serviert, und sie wusste es nicht einmal. Trudi war perfekt – zumindest bis vor kurzem –, und ich mag Perfektion. Schauspielerfahrung, geübt im Umgang mit Make-up, da sie ja immer ihr grotesk entstelltes Gesicht überschminken musste.« Genau wie Olly zeichnete Stephen Trudi Staines’ von Mund bis zum Ohr reichende Narbe mit dem Finger nach.
    »Aber das hier«, er bückte sich, um den beigefarbenen Mantel aufzuheben – er hatte ihn auf den Boden geworfen, nachdem er ihn Lara vom Leib gerissen hatte, »ist noch das echte Sanders-Outfit, das ich damals in Los Angeles dem Original abgenommen und der Ersatzdarstellerin zur Verfügung gestellt habe. Jetzt muss ich es schon wieder in die Reinigung geben, was ein ziemliches Ärgernis ist.« Er hielt den Mantel in die Höhe und zeigte Lara die Schlammflecken auf der Außenseite. Sie sahen aus, als wäre der Mantel über feuchte Erde geschleift worden. Dann drehte er ihn um und wies auf einen dunkleren rotbraunen Fleck im Innenfutter. »Aber dann musste ja Betty kommen, diese blöde Schlampe, und mir in die Parade fahren.«
    »Was meinst du damit?« Laras Gedanken überschlugen sich.
    »Musste diese abgetakelte Transe sich überall einmischen? Der SINN DER SACHE war doch, dass du in so einem Zustand zu mir gelaufen kommst.« Er rang die Hände und stieß ein ersticktes Wimmern aus. »Dass die widrigen Umstände uns wieder zusammenführen. Aber Betty hat ihre fette Nase in Dinge reingesteckt, die sie nichts angehen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, hat Trudi dann auch noch ihr wahres Gesicht gezeigt. Sie hat angefangen rumzuzicken, wollte mehr Geld haben, hat mit diesem gedroht, dann mit jenem, dann mit noch irgendetwas anderem. Was hätte ich tun sollen?«
    Lara brach schluchzend auf dem Boden zusammen.
    »Bitte lass mich gehen«, sagte sie. »Bitte.«
    »Das ist doch albern, Lara. Es könnte alles perfekt sein. Du musst nur deine Einstellung ändern.«
    Lara sprang auf und versuchte, an ihm vorbei zur Tür zu stürzen. Er war völlig überrumpelt, und sie hatte es schon halb die Treppe hinuntergeschafft, ehe er sich auf sie warf. Zusammen rollten sie die Stufen hinab und landeten auf dem Küchenfußboden. Lara prallte mit dem Kopf gegen einen Treppenpfosten und verlor das Bewusstsein.
    Vielleicht waren nur wenige Sekunden vergangen, vielleicht auch Stunden, sie wusste es nicht. Doch als Lara mit einem pochenden Schmerz an der Schläfe wieder zu sich kam, sah sie Stephen bewusstlos neben sich am Boden liegen. Er hatte eine Platzwunde an der Wange und sah aus wie ein gefallener Actionheld. Sie fragte sich kurz, ob er noch lebte, aber sie wollte ihre Gelegenheit zur Flucht nicht ein zweites Mal verschenken. Sie probierte alle Türen aus – sie waren abgesperrt, wie sie befürchtet hatte. Also rannte sie zurück nach oben in das Zimmer, wo sie das Fliegengitter herausgeschlagen hatte. Ohne zu zögern, kroch sie durchs Fenster, packte mit beiden Händen das

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