Hautnah
Schwangerschaft noch immer recht üppig war, hatte sie sogar ein echtes Dekolleté. Sie drehte sich, um sich im Profil zu betrachten, und zog den Bauch so weit ein, wie sie glaubte, es einen Abend lang aushalten zu können. Gar nicht mal so schlecht. Sie entschied, dass dieses Kleid, zusammen mit ihrer Jeansjacke und dem schwarzen Pashmina-Schal, ihr Outfit für den Abend sein würde.
Sie stand immer noch vor dem Spiegel, als sie die Treppenstufen unter Marcus’ schweren Schritten ächzen hörte.
»Also, die Großen sind mit dem Kleinen zum Spielplatz oder so ähnlich«, meldete er.
»Sehr gut.«
»Wäre es vielleicht möglich, die Koffer vom Bett zu räumen?«, fragte er. »Ich muss meinen Text lernen, und sonst ist nirgendwo Platz.«
Lara dachte an das riesige, leere Haus und daran, wie viele Ecken und Winkel es hatte, die zum Textlernen wie gemacht waren.
»Willst du damit nicht bis nach der Leseprobe warten?«, hakte sie nach. »Sonst sagst du doch immer, dass es so am sinnvollsten ist.«
»Außer, man hat die scheißverdammte Hauptrolle«, antwortete Marcus mit einem breiten Grinsen und schob die Koffer auf den Boden. Dann richtete er sich auf und sah Lara an. »Was trägst du denn da? Hast du das neu gekauft?«
»Es ist uralt. Was meinst du?« Sie hielt die Luft an und breitete die Arme aus.
Marcus musterte sie von oben bis unten.
»Ja«, sagte er in seiner leicht gepressten Bühnenstimme.
»Es gefällt dir nicht, oder?«
»Doch«, erwiderte er.
»Was stimmt nicht damit?« Sie wünschte, er wäre ein besserer Schauspieler.
»Du darfst aber nicht sauer auf mich sein.«
»Ich bin nicht sauer, wenn du mir die Wahrheit sagst«, gab sie zurück.
»Okay. Also, du, na ja, du quillst hier und da ein bisschen raus.«
»Ich quelle?«
»Hm, ja.«
Lara schwieg eine Sekunde lang und warf erneut einen Blick in den Spiegel, nur dass sie sich diesmal keine Zeit gab, vorher den Bauch einzuziehen.
Er hat recht, dachte sie. Und ihre Stimmung sank auf den Nullpunkt.
»Danke, dass du ehrlich zu mir warst.«
»Nein, hör mal. Es ist echt hübsch. Wirklich.«
Lara zog das rosafarbene Blümchenkleid aus und hängte es ans hinterste Ende der Kleiderstange, die an einer Wand der Kammer angebracht war. Dort würde es den ganzen Sommer über hängen bleiben. Nackt und mit dem schwarzen Jerseykleid in der Hand, von dem Johnnie Boden behauptete, dass es jeder Figur schmeichle, ging sie zurück ins Schlafzimmer. Marcus lag bereits auf dem Bett und war in sein Skript vertieft. Er sah nicht zu ihr auf.
Sie schlüpfte in das Jerseykleid.
»Was ist mit dem hier? Und dazu die Bernsteinkette?«
Seufzend hob Marcus den Blick. »Was? O ja, viel besser«, sagte er und wandte sich demonstrativ wieder seinem Skript zu.
»Na gut.« Lara zog das Kleid aus und hängte es zurück. »Also, ich gehe jetzt duschen, und dann fange ich mit dem Haus an.«
»Super«, sagte er.
»Wollen wir so gegen halb fünf los?«
»Wie du meinst, Schatz. Kann ich jetzt hier weitermachen?« Er deutete auf sein Skript.
»Sicher.« Sie nahm ihren Laptop, verließ das Schlafzimmer und zog die Tür fest hinter sich zu.
9
D iese Hitze ist echt eklig«, stellte Bella fest, als sie, Olly und Jack neben der Schule auf den Schaukeln saßen.
Die bewaldeten Hügel hinter dem Spielplatz gaben Bella das Gefühl, winzig zu sein, eingehüllt in ein gigantisches Tuch aus Grün. Kein Vergleich zu den South Downs bei ihnen zu Hause, den langgestreckten Hügelketten mit ihrem hellen Gras, deren Anblick sie immer begrüßte, wenn sie von einer Reise zurückkam. Die sie mit Frische erfüllten und dem Gefühl, dass alles möglich war.
Die Hügel hier in New York waren ganz anders. Sie zwängten einen ein, und Bella war, als würden sie ihr den Atem aus dem Körper saugen, um ihn dann in dieser grässlichen schwülen Juninachmittagshitze in Form von noch mehr Feuchtigkeit auszudünsten.
Bei diesen Hügeln hier in New York hatte sie das Gefühl, als würde sie beobachtet.
Ein Schweißtropfen rann ihr den Rücken hinunter.
»Igitt.« Sie schüttelte sich.
»Anschwung!«, befahl Jack von seiner Schaukel aus.
»Du bist dran, Olly«, sagte Bella.
»Aber …«
»Jetzt mach’s einfach.« Sie stieß sich auf ihrer eigenen Schaukel ab, schwang sich höher und höher und streckte die Füße bis zur dunstverhangenen Sonne hinauf, vor der sie sich als dunkle Umrisse abzeichneten.
»Verfickte Scheiße«, maulte Olly, stand aber trotzdem auf und gab Jack Anschwung, bis
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