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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Sabbatjahrs nach der Schule im Dirty Duck – der Stammkneipe des Ensembles der Royal Shakespeare Company in Stratford-upon-Avon – hinter der Theke gearbeitet hatte, war sie Marcus begegnet. Er war damals einunddreißig Jahre alt und ein echter Schauspieler und kam ihr unfassbar glamourös vor. Er bat sie um ein Treffen, und sechs Monate später waren sie verheiratet – in den Augen ihrer biederen Eltern eine Ungeheuerlichkeit. Für diese waren bereits ihre Schauspielambitionen ein herber Schlag gewesen, und nun kam auch noch ein älterer Mann daher und nahm ihre einzige Tochter zu seiner Kindbraut.
    Wie immer schafften es Morrisseys Stimme und Johnny Marrs Gitarrenklimpern, sie aus dem Netz der Vergangenheit zurück ins Hier und Jetzt zu holen.
    Während sie die Dose mit den Pflastern neben der antibakteriellen Lotion platzierte, versuchte sie, sich an die freudige Erregung zu erinnern, die sie empfunden hatte, wann immer Marcus die Bar betrat.
    Ihr fiel es schwer, sich zu erinnern. Kurze Zeit nach der Hochzeit – eine Zeit, die Lara meistens zu verdrängen pflegte – zogen sie nach Brighton, und die Zwillinge wurden geboren. Marcus musste sich stets bereithalten, um auf den Anruf irgendeines Agenten hin sofort für fünf Wochen nach Pitlochry zu fahren oder dergleichen, daher war es für Lara undenkbar, arbeiten zu gehen, während die Zwillinge noch klein waren. Da sie keine anderen Qualifikationen vorzuweisen hatte als einen Schulabschluss in Kunst und Theater, hätte sie niemals genug verdient, um davon die Betreuungskosten für zwei Kinder bestreiten zu können. Zu diesem Zeitpunkt stand die Rollenverteilung also bereits fest: Er ging arbeiten, und sie saß zu Hause und wusste angesichts ihrer zwei nimmersatten Babys nicht, wo ihr der Kopf stand. Das war das Ende ihres Traums von der Schauspielerei. Sie ließ die Karriereleiter los, noch bevor sie einen Fuß auf die unterste Sprosse gesetzt hatte.
    Und nun fragte sie sich, ob das nicht die Wurzel ihrer gegenwärtigen Missstimmung war. Unbefriedigter Ehrgeiz. Er war wie ein Wurm, der sich in einen Apfel frisst. Nur ein winziges Loch, und trotzdem ist die ganze Frucht verdorben. Wenn sie an die ersten drei Lebensjahre der Zwillinge zurückdachte, konnte sie sich nicht daran erinnern, näher mit Marcus zu tun gehabt zu haben. Obwohl er hin und wieder zu Hause gewesen war. Er musste hin und wieder zu Hause gewesen sein.
    Vielleicht hatte sie bereits damals begonnen, sich innerlich abzukapseln. Nein, ihr war klar, dass es so nicht gewesen war. Den fraglichen Moment konnte sie nämlich exakt bestimmen, und er war schon viel früher gekommen. Sie verbot sich, weiter darüber nachzudenken.
    Sie stellte Jacks bescheidene Spielzeugsammlung auf ein niedriges, leicht erreichbares Regal: Floppy Dog, Woody, die Power Rangers, ein paar Star-Wars-Sachen.
    Am Ende war es ihre gute Kunstnote, die ihr die Chance bot, aus dem Haus zu kommen. Sobald die Zwillinge drei wurden, hatten sie Anspruch auf kostenlose Tagesbetreuung, und währenddessen belegte Lara halbtags einen Kurs in visueller Kommunikation am örtlichen College. Ursprünglich hatte sie sich vor allem deshalb eingeschrieben, weil sie sich endlich wieder als denkendes Wesen fühlen wollte, nachdem sie ihre frühen Zwanziger bis zum Hals in Babyzubehör verbracht hatte. Im zweiten Ausbildungsjahr jedoch begann sie, die Möglichkeiten zu entdecken, die der Kurs ihr eröffnete. Ihr gelang es sogar, für ihre Abschlussprojekte echte Kunden zu gewinnen. Sie bestand mit Auszeichnung, gewann einen Gutschein für einen Apple Macintosh inklusive Drucker und Scanner und richtete sich in einer Ecke des Wohnzimmers einen Arbeitsplatz ein.
    Sie verdiente nicht viel, aber es tat gut, wenigstens einen kleinen Teil zum Familieneinkommen beizutragen. Und sie blieb flexibel, was in der Theorie ungemein praktisch war, nur dass manchmal Monate vergingen, ohne dass Marcus auch nur ein einziges Vorsprechen hatte. Lara kam dies zupass, da sie inzwischen zahlreiche Aufträge bekam, und sie freute sich über die kostenlose Kinderbetreuung. Marcus allerdings fand es furchtbar.
    »Es war einfach noch nicht die richtige Rolle für dich dabei«, munterte sie ihn immer wieder auf. »Das kommt schon noch.« Aber es kam nicht, wenigstens nicht oft. Und wenn doch, dann spielte er gegen Mindestgage irgendeine kleine Rolle in einem unbedeutenden Provinztheater Hunderte von Meilen weit weg. Er bekam diese Engagements über Freunde, die ein gutes

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