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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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dieser jauchzend durch die Luft sauste und seine kleinen Beine genau im selben Augenblick wie Bellas den höchsten Punkt erreichten, so dass sie nach jeder Aufwärtsbewegung beide gleichzeitig einen Moment lang wie schwerelos in der drückenden Luft hingen.
    Am Vortag hatten Bella und Olly eine Art Waffenstillstand geschlossen – eine rein praktische Erwägung, weil ihnen klargeworden war, dass sie sich in Trout Island schlecht aus dem Weg gehen konnten. Wie üblich hatten sie kein Wort darüber verloren – ihre Fähigkeit, sich stillschweigend zu verständigen, war einer der salonfähigeren Aspekte ihrer Beziehung.
    »Sieht so aus, als kriegten wir Gesellschaft«, verkündete Olly und deutete mit dem Kinn zu den Bäumen beim Friedhof. Bella spähte mit zusammengekniffenen Augen über den schimmernden Asphalt und sah drei Jungen, ein bisschen älter als Olly und sie, die im Schatten an den Grabsteinen lehnten, Budweiser aus Flaschen tranken und irgendwas Selbstgedrehtes rumgehen ließen. Einer von ihnen rollte einen Basketball auf dem staubigen Boden von einer Hand in die andere.
    »Mmmmmmm … Gras …« Olly schnupperte in die Luft wie ein Spürhund.
    »Ganz ruhig, du Junkie«, sagte Bella. »Meinst du, die sind in Ordnung? Ich finde, die sehen ein bisschen dubios aus.« Die drei Jungs waren fast identisch gekleidet: fleckige, übergroße T-Shirts, weite Shorts und Baseballkappen. Trotz der gnadenlosen Sonne hatten alle drei unnatürlich weiße, ungesund aussehende Haut. Und sie beäugten Bella, Olly und Jack wie ein Rudel Straßenköter, das sein Revier verteidigt.
    »Hast du Angst, dass wir in ihr ›Territorium‹ eingedrungen sind?«, zog Olly sie auf. »Glaubst du, das wird so was wie die Sharks gegen die Jets oder die Crips gegen die Bloods?«
    »Vielleicht haben die Waffen«, sagte Bella, wobei sie versuchte, so wenig wie möglich den Mund aufzumachen, für den Fall, dass sie ihr von den Lippen ablasen.
    »Glaub ich kaum. Schau sie dir doch mal an. Das sind bloß ein paar Dorftrottel«, erwiderte er. »Sieh zu und lerne.« Er gab Jack ein letztes Mal Anschwung und schlenderte dann, die Hände in den Taschen, über den Spielplatz auf die Jungen zu.
    »Olly!«, rief Bella. Aber es war zwecklos, ihn aufhalten zu wollen. So war Olly einfach. Er hatte null Verstand und null Berührungsängste, verfügte normalerweise allerdings über genügend Charme, um sich aus den heiklen Situationen, in die er dadurch geriet, wieder rauszuwinden. Ihr Vater war ganz ähnlich, nur schleimte der dabei so hemmungslos, dass seine Kinder sich für ihn schämen mussten. Außerdem ärgerte es sie, dass er zu Hause, ohne Publikum, fast nie so nett war. Bei Olly, fand Bella, wirkte das Ganze viel natürlicher. Es kam aus seinem Innern und war nicht bloß Show.
    Da sie in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil ihres Bruders war, beeindruckte und nervte sie seine Spontaneität gleichermaßen. Manchmal kam sie sich neben ihm regelrecht wie ein graues Mäuschen vor.
    »Was für ein Depp«, sagte sie zu Jack, der kicherte. Nichtsdestotrotz imponierte es ihr, wie Olly der Reihe nach jedem der Jungen die Hand schüttelte, sich vorstellte und danach zu seiner Schwester und seinem Bruder auf den Schaukeln zeigte. Dann suchte er sich einen Grabstein zum Sitzen aus und nahm, als ihm ein Bier und ein Zug vom Joint angeboten wurde, beides an.
    »Mein Gott«, sagte Bella.
    »Mein Gott«, echote Jack und schüttelte in Nachahmung seiner großen Schwester den Kopf.
    »Tja, das war’s dann wohl mit Ollys Hilfe heute Nachmittag. Willst du einen Eislolli?«
    »Eislolli!« Jack war begeistert.
    Bella rutschte von ihrer Schaukel und hob dann Jack von seiner herunter.
    »Hey, Schwester, haust du ab?«, rief Olly quer über den Spielplatz.
    »Nach was sieht’s denn aus?«, rief sie zurück. Sie hörte die anderen Jungs meckernd lachen. »Denk dran, Dad hat gesagt, du sollst um vier zu Haus sein«, fügte sie hinzu, in der Hoffnung, ihm einen Dämpfer zu verpassen.
    »Blabla«, sagte Olly. Das Gelächter wurde lauter, und alle klatschten ihn ab.
    Wie macht er das nur immer?, fragte sich Bella, während sie sich bückte, um Jacks Buggy startklar zu machen.
    Sie überquerten die Straße und gingen am Theater vorbei. Die Türen waren geschlossen, aber Bella hörte Showmusik von drinnen. Jemand – höchstwahrscheinlich James – rief laut: » UND eins und zwei und drei UND eins.« Dann klatschte er in die Hände und schrie: »Nein, nein, NEIN

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