Havanna für zwei
ein Bein gestellt hatte, indem sie auf Spanisch bestellte.
»Ah, habla español ?«
»Nein – poco «, wehrte Emma ab. »Aber ich hab versucht, es zu lernen.«
»Sí, bueno« , lächelte Dehannys. »Mein Englisch ist nicht sehr gut.«
»Wir können voneinander lernen.«
Dehannys nickte heftig, während sie Mineralwasser aus einer Flasche in ein Glas einschenkte. »Das ist gut.«
»Gracias« , sagte Emma und nahm das Getränk von Dehannys entgegen. »Leben Sie weit von hier?«
»Matanzas. Etwa eine halbe Stunde.«
»Ich glaube, wir sind gestern Abend dort vorbeigekommen. Auf dem Weg vom Flughafen José Martí.«
» Sí . Ich lebe dort mit Mutter und Vater und meinem Sohn.«
Keine Rede von einem Ehemann, dachte Emma, während sie durstig ihr Glas leerte. Sie verspürte eine Verbundenheit mit dieser Frau, und eine innere Stimme sagte ihr, dass es ihr vorbestimmt war, sie zu treffen.
» Gracias! Vamos und suche meine Schwester.«
»Adiós!« , antwortete Dehannys mit einem Lächeln.
Emma fühlte sich gut, als sie über den hölzernen Bodenbelag zum Pool lief. Der Spaziergang hatte ihr neue Energie gegeben, und zum ersten Mal seit Pauls Tod spürte sie, dass sie auch allein sehr glücklich sein konnte, und sei es nur beim Spazierengehen. Die karibische Sonne und das leuchtende türkisfarbene Meer taten ihr Übriges.
Als Emma näher kam, blickte Sophie von ihrem Wälzer auf. »Wie war’s?«
»Der Strand ist fantastisch. Er ist kilometerlang.«
»Seh ich mir später an«, murmelte Sophie und vertiefte sich wieder in ihren Roman. »Ach ja, Finn hat angerufen, während du weg warst.«
»Geht’s ihm gut?«
»Klar. Ich wette, Louise hat ihn gezwungen, dich anzurufen. Wahrscheinlich war sie bloß neugierig, wie es uns gefällt.«
Emma erinnerte sich an die Enttäuschung in Louises Gesicht, als sie Finn vor zwei Tagen abends bei ihr abgesetzt hatte. Ihr Sohn freute sich wahnsinnig, mit seinem Cousin zusammen zu sein, doch ihr war klar geworden, dass sie ihre mittlere Schwester mal wieder enttäuscht hatte, indem sie Sophie mit zu einer Vergnügungsreise nahm, die Louise sich wahrscheinlich viel mehr wünschte.
Emma verspürte den Drang, ins blaue Wasser des Swimmingpools zu tauchen. Sie ließ ihren Sarong von den Hüften gleiten und lief wortlos zum Beckenrand.
Sophie blickte irritiert auf, als die Wassertröpfchen des Platschers, den Emma verursachte, auf ihre Beine und Füße niederprasselten. Sie hätte mich wenigstens warnen können, dachte sie, als sie sich auf die andere Seite drehte, damit sie schön gleichmäßig braun wurde.
Sie war wütend auf Emma und musste ihre Gefühle seit Monaten bei jedem Aufeinandertreffen verbergen. Es wurde langsam unerträglich. Doch sie hatte nach Kuba mitkommen müssen, sonst hätte Emma Lunte gerochen. Sie kannte sie zu gut. Was für eine Ironie des Schicksals, mit der Frau ihres Liebhabers in den Urlaub zu fliegen, den sie gemeinsam mit ihm hatte genießen wollen! Emma hatte es gut. Sie durfte Trübsal blasen und nach Herzenslust trauern. Nur wenige Tage vor seinem Tod hatte Paul endlich eingewilligt, Emma zu sagen, dass er sie verließ. Sie wären weggezogen, um es für Emma und Finn leichter zu machen. Irgendwann hätte Emma es verstanden – dessen war sich Sophie sicher. Paul war ihr Seelenverwandter, und sie waren füreinander bestimmt. Und jetzt musste sie Emma ganze zehn Tage dabei zusehen, wie sie ihren Schmerz zur Schau stellte.
Kapitel 4
Louise fiel es schwer zu funktionieren. Zwei Bilder spukten ihr permanent durch den Kopf: eins von ihren Schwestern, die in der karibischen Sonne faulenzten, und das andere von Jack Duggan in der DART-Bahn nach Dublin. Eigentlich war es in Kuba noch viel zu früh für den Strand, und Jack saß sicher schon an seinem Schreibtisch oder war unterwegs, um für den neusten Knüller zu recherchieren, doch beides erschien ihr verlockender, als Schuluniformen und Unterwäsche in die Waschmaschine zu stopfen.
Als sie sich vom Schuldienst hatte beurlauben lassen, war sie der Meinung gewesen, sich die Pause mehr als verdient zu haben, und hatte eine große Erleichterung verspürt. Im zweiten Jahr fühlte es sich noch genauso an, und im dritten Jahr hatte sie sich vor der Aussicht gefürchtet, wieder arbeiten zu müssen. Doch Donal hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie zurückwollte. Im Grunde sollte sie dankbar sein. Nur wenige Frauen genossen den Luxus, in dieser wirtschaftlichen Lage einen Mann zu haben, der ein gutes Gehalt
Weitere Kostenlose Bücher