Havanna für zwei
dass auf ihrem hübschen Gesicht ein missmutiger Ausdruck lag. Als sie Emma schließlich erreichte, stieß sie einen lauten Seufzer aus.
»Dieser Scheißbus ist das Allerletzte! Und auf dem Markt gibt es nichts als einen Haufen Trödel.«
»Sieht so aus, als hättest du auch irgendwelchen Trödel erstanden.«
Sophie ließ sich auf die Sonnenliege neben Emma plumpsen. Sie griff in die Tüte und kramte ein Spielzeugauto hervor, das aus dem Aluminium einer Coladose hergestellt war.
»Ich hol mir einen Mojito«, verkündete sie. »Willst du auch einen?«
»Warum nicht?« Emma zuckte mit den Achseln. Seit sie in Varadero Beach waren, hatte sie eine solche Vorliebe für den kubanischen Cocktail entwickelt, dass sie sich ihren ersten am Tag meist schon vor 12 Uhr genehmigte.
Als Sophie zur Bar abzog, beugte sich Emma über ihren Laptop und arbeitete weiter. Von dem Ausflug zu Dehannys würde sie ihr später erzählen.
»Ich versteh nicht, warum ich da mitmuss«, jammerte Sophie.
»Musst du ja nicht. Du kannst auch hierbleiben«, erwiderte Emma, während sie die Stufen von den Gartenanlagen zur Rezeption hochstiegen.
»In diesem Hotel wimmelt es von Pärchen! Da hocke ich nicht den ganzen Abend allein in der Piano-Bar.« Dass das Hotel ein romantischer Rückzugsort nur für Erwachsene war, war einer der Gründe, warum sie und Paul es sich überhaupt ausgesucht hatten. Diese Entscheidung rächte sich jetzt.
»Tja, das liegt bei dir.« Emma wandte sich an den Portier. »Könnten wir ein Taxi nach Matanzas haben?«
Der Mann im glänzenden grauen Anzug mit dem bleistiftdünnen Schnurrbärtchen lächelte ein breites Lächeln, das Emma verriet, dass sie um das schier Unmögliche bat.
»Sie haben reserviert?«
»Nein. Ich dachte, Sie könnten uns einfach eins rufen.«
Ein noch breiteres Lächeln ließ seine Zähne aufblitzen, und er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, señora , aber wir müssen die offiziellen Taxis dieses Hotels nehmen. Sie müssen vorher reserviert werden.«
Emma war sprachlos. »Und eine Autovermietung? Kann ich mir keinen Wagen leihen?«
»Ist heute schon geschlossen – tut mir sehr leid!«
Plötzlich sprach eine raue Stimme über Emmas Kopf hinweg auf Spanisch, und nach wenigen Sekunden erkannte sie den Mann, der sich eingeschaltet hatte. Er sprach schnell und bestimmt, bis der Portier mit den Achseln zuckte.
»Dieser Mann bringt Sie nach Matanzas«, lenkte er ein. »Er muss jetzt nach Havanna fahren und kann Sie auf dem Weg absetzen.«
»Hallo«, begrüßte Emma ihn mit einem Lächeln. »Sie haben uns am Flughafen abgeholt, oder?«
Der Taxifahrer lächelte zurück, und bei Tageslicht konnte Emma seine perfekten weißen Zähne deutlicher sehen als zuvor. Es war erstaunlich, wie ein Volk, das solche Probleme hatte, an Zahnpasta zu kommen, so bemerkenswert gute Zähne haben konnte.
»Sind Sie auch sicher, dass es für Sie kein Umweg ist?«, fragte sie besorgt.
»Nein, ich komme sowieso an Matanzas vorbei und bringe Sie heute Abend auch zurück, wenn Sie mögen.«
»Vielen Dank«, erwiderte Emma.
Sophie verdrehte die Augen gen Himmel, als sie ihrer Schwester zum Renault des Fahrers folgte.
»Wie oft pendeln Sie zwischen hier und Havanna?«, fragte Emma, als sie es sich im Taxi bequem gemacht hatten.
»Manchmal dreimal, aber meist zweimal am Tag. Ich muss die Hotelgäste vom Flughafen abholen.«
Emma bemerkte, dass der Taxameter nicht an war, und fragte sich, ob sie den Fahrer darauf ansprechen sollte. Vielleicht hatte er eine andere Methode, den Fahrpreis zu berechnen? Schließlich beschloss sie, lieber nachzufragen, falls er es schlicht und ergreifend vergessen hatte.
»Entschuldigen Sie, aber Sie haben den Taxameter nicht an.«
»Ich berechne Ihnen nichts. Ich fahre sowieso nach Matanzas.«
Sophie beugte sich zu ihrer Schwester und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich wette, er ist scharf auf ein fettes Trinkgeld!«
Emma war sich nur allzu bewusst, wie die abfälligen Bemerkungen ihrer kleinen Schwester in den Ohren des Mannes klingen mussten, der ihnen half, obwohl er es nicht musste. Sie brachte sie mit einem wütenden Blick zum Schweigen. Im Rückspiegel konnte sie das Gesicht des Fahrers und seine freundlichen haselnussbraunen Augen sehen. Nicht typisch kubanisch, wie sie vorher geglaubt hätte, doch seit ihrer Ankunft auf der Insel hatte sie festgestellt, dass der typische Kubaner schlechthin gar nicht existierte. Die Hautfarbe der Menschen hier variierte von blass cremefarben
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