Havanna für zwei
Burlington Hotel. War schön, mit dir zu reden, Louise. Vielleicht können wir uns mal treffen? Wir haben uns bestimmt viel zu erzählen.«
Louise fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Klaps auf die Finger gegeben.
»Ich fand’s auch schön«, stammelte sie, während er schon auflegte.
Was war das denn? Er war total abwesend und völlig anders gewesen als in der DART-Bahn. Vielleicht hatte er nach dem anfänglichen Schock, sie wiederzutreffen, seine Meinung geändert und wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. So oder so fühlte sie sich nach dem Gespräch traurig und leer. Sie hätte ihn lieber nicht anrufen sollen.
Kapitel 5
»Was willst du heute machen?«, fragte Sophie.
»Ich genieße die Ruhe.« Emma streckte sich genüsslich im Bett und gähnte laut.
»Mir wird langsam langweilig. Ich hätte nichts gegen ein bisschen Sightseeing.«
Emma setzte sich auf und lächelte.
Es klopfte.
»Das ist bloß das Zimmermädchen. Ich wimmele es ab!«, verkündete Sophie entschlossen und durchquerte mit großen Schritten den Raum.
Als sie die Tür öffnete, sagte die junge Frau, die davorstand, entschuldigend: »Verzeihung – ich komme später!«
»Marina, warten Sie!«, rief Emma, der die Toilettenartikel einfielen, die sie in ihrem Koffer gebunkert hatte.
Sie schnappte sich eine Tube Zahnpasta und eine Schachtel Tampons und rannte hinaus, um sie der jungen Frau zu geben, die so nett zu Ihnen gewesen war und ihnen alles so angenehm wie möglich gemacht hatte, indem sie aus ihren Badetüchern kleine Skulpturen geformt und Blütenblätter auf ihre Betten gestreut hatte.
Sophie schnalzte abschätzig mit der Zunge. Hätte es sie interessiert, was ein kubanisches Zimmermädchen dachte oder fühlte, hätte sie Emmas Verhalten peinlich gefunden.
»Ich habe gehört, dass man das hier nur schwer bekommt«, sagte Emma und drückte der jungen Frau beides in die Hand.
»Ja, danke – muchas gracias !«, antwortete die junge Frau und nickte heftig.
Kopfschüttelnd warf Sophie ihren Bikini, ein Buch und Sonnenlotion in ihre Strandtasche.
Emma schloss die Tür wieder und lief zurück zu Sophie.
»Was hast du für ein Problem?«, fragte sie defensiv.
»Diese Frau hat tagtäglich Zugang zu Toilettenartikeln. Sie arbeitet in dem verdammten Hotel! Ich wette, sie kriegt alles, was sie will.«
Vielleicht hatte Sophie sogar recht, aber Emma fühlte sich besser, nachdem sie etwas Gutes getan hatte, und es war gemein von ihrer Schwester, ihr das zu vermiesen.
»Ich fahre nach dem Frühstück nach Varadero. Willst du nicht mit? Vielleicht ein paar Schachteln Tampons mitnehmen und sie dort an die Leute verteilen?«, spottete Sophie.
Emma ignorierte die Provokation, nahm ihren kleinen weißen Apple-Laptop und schob ihn in ihre Tasche.
»Ich schreibe vielleicht ein bisschen – unten am Pool.«
Affektiert warf Sophie ihr Haar zurück und lief vor ihr aus dem Hotelzimmer.
Tagelang zu so engem Kontakt mit ihrer großen Schwester gezwungen zu sein und bis auf das kubanische Personal kaum mit anderen Menschen reden zu können forderte langsam seinen Tribut. Wenigstens sprach Emma nicht über Paul. Sophie beschloss, ihre wahren Gefühle zu verdrängen und sich nach ein bisschen Ablenkung umzusehen. Bisher hatten Männer für sie Ablenkung bedeutet. Bis sie Paul traf, den einzigen Mann, der in ihr den Wunsch geweckt hatte, häuslich zu werden. In Varadero könnte sie checken, ob es dort einen guten Nachtclub gab oder eine Gelegenheit, interessante Leute zu treffen und von ihrer Schwester wegzukommen.
Emma war überrascht, mit welcher Leichtigkeit die Worte auf dem Computerbildschirm erschienen. Zunächst hatte sie ihre liebe Mühe gehabt, ihre Sonnenliege in einen schattigen Teil des Poolbereichs zu ziehen und den Sonnenschirm niedriger zu stellen, damit er genug Schatten warf und man den Bildschirm richtig sehen konnte, doch jetzt, wo sie endlich schrieb, hatte sie das Gefühl, einen Lauf zu haben. Die Distanz zu Sophie tat ihr gut. Einsamkeit war genau das, was sie brauchte.
Sie fühlte sich anders als beim Schreiben zu Hause. Doch das lag nicht nur an der kubanischen Sonne oder dem warmen Wind, der vom Strand heraufwehte. Emma spürte eine andere Kraft, die ihr dabei half, die Worte niederzuschreiben, und ihr zeigte, was ihren Figuren als Nächstes widerfahren würde. Sie schrieb gerade über Martin; er war der Held ihres Romans, in jeder Hinsicht ein Hemingway’scher Held. Ein Macho-Typ, der Stärke und so viel
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