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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Ihre Sorgenfalten waren echt.«
    »Gut«, riss Riethmüller die Diskussion wieder an sich und steckte beide Daumen unter die knallroten Hosenträger. »Solange wir nicht hundertzwanzig Prozent Gewissheit haben, dass der Böttgerspross auch der Urheber des schönen Bildes ist, möchte ich diesen Namen nirgendwo lesen.« Er ließ den Blick mit zusammengezogenen Augenbrauen durch die Runde schweifen. Langsam, niemanden auslassend. »Haben wir uns da verstanden? Wegmann, Sie fangen mit dem Artikel erst mal an und bauen eine Fortsetzungsgeschichte auf. Vielleicht bekommen wir ja den Bengel in den nächsten Tagen doch noch vor ein Mikrophon.«
    Wegmann nickte, hatte dann aber noch eine Frage. »Und was ist mit Andeutungen? Sie wissen schon, Chef. Eine geschickt platzierte Vermutung, die dem Leser wie eine klare Aussage vorkommt.«
    Wegmann hatte das schon hunderte Male praktiziert. Der Leser nahm gewöhnlich die in der Überschrift versteckte Andeutung als Feststellung und den folgenden Text als Beweis für deren Richtigkeit. So konnte man Leute zerstören, ohne mit rechtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen.
    »Wegmann«, ranzte Riethmüller über den Tisch. Seine Hosenträger knallten auf sein Hemd. »Sie sind wirklich das allergrößte Rindvieh hier. Ich habe doch klar und deutlich gesagt, dass ich den Namen Böttger nicht lesen will. Auch nicht in Ihren boulevardesken Schmierereien, die Sie Andeutungen nennen.«
    Damit war die Besprechung von einer Sekunde auf die andere vorbei und noch an der Tür hatte Riethmüller sein Handy am Ohr. Wen er jetzt anrufen würde, bedurfte keiner Diskussion.

9
    Dass Nepomuk Böttger als Urheber des Graffitis feststand, war der Knaller. Als man Manzetti den Namen am Telefon durchgegeben hatte, war klar, dass von nun an jeder Schritt noch genauer überlegt werden musste, als das üblicherweise geschehen würde. Die Böttgeranwälte waren nicht als Weicheier bekannt.
    Deshalb entschied Manzetti, dass er erst einmal mit dem Staatsanwalt sprechen wollte, der ja schließlich Herr des Ermittlungsverfahrens war. Aber nicht vor morgen früh; da war ja schließlich auch noch ein Tag.
    Trotzdem konnte es nicht schaden, wenn er sich heute noch einmal auf den Weg machen würde, um dem Hause Böttger einen ersten, noch inoffiziellen Besuch abzustatten. Quasi als Vater einer Mitwirkenden in Nepomuks Gruppe. Der Weißkopfseeadler würde ihm womöglich die notwendigen Türen öffnen.
    Er verließ Ketzür und fuhr über Butzow und Radewege wieder in Richtung Brandenburg. An der Brielower Grenze bog er nach links ab und folgte der schmaler werdenden Asphaltdecke an etlichen Schrebergärten vorbei. Sein Ziel war die mondäne Siedlung, in der das Wohnhaus der Familie Böttger stand.
    Die Siedlung war ihm nicht sehr vertraut. Vor vier Jahren war er das letzte Mal dort gewesen, anlässlich eines Polizeikongresses. Schon damals wand sich die Linie der Häuser wie ein Ring um das Tagungshotel. Das einzig Nennenswerte, was Manzetti noch im Gedächtnis herumschwirrte, war der kleine, zum Hotel gehörende Hafen. Die vertäuten Boote, die etwa so groß und um einiges teurer waren als sein eigenes Wohnhaus, ließen kaum Fragen zum sozialen Status der Anwohner offen.
    Das Böttgeranwesen lag rechts neben dem Hotel. Der zuständige Revierpolizist hatte ihm gesagt: Du wirst es leicht erkennen. Es unterscheidet sich wirklich schon auf den ersten Blick von den anderen.
    Und tatsächlich. Die Villa ragte in schlichtem Weiß nicht nur über alle anderen Häuser hinaus, es war auch architektonisch eine Augenweide. Vier Türme ließen die Vermutung zu, man bereite sich im Inneren auf lange Verteidigungskämpfe vor. So also wohnten erfolgreiche Unternehmer.
    Manzetti stellte das Auto auf den Hotelparkplatz und stieg aus. Die Siedlung um ihn herum wirkte verlassen. Kein Kindergeschrei, keine Gattinnen, die durch die Hecken hindurch wertvolle Ratschläge austauschten. Nicht einmal Putzfrauen, die Wischwasser in den Gully vor dem Haus kippten und dabei auf Polnisch fluchten.
    Er ging bis zu einer Gabelung und wählte den linken Straßenverlauf, da dort nur die Innenseite der Ringpromenade bebaut war. Aber auch hier ließ sich keine Menschenseele blicken. Gespenstisch.
    Doch dann, wie aus heiterem Himmel, tauchte vor ihm ein Riesenschnauzer auf. Pechschwarz und extrem Angst einflößend. Das Tier musste unbemerkt aus einem Gebüsch gekommen sein, als Manzetti sich nur für eine Sekunde nach hinten gewandt hatte. Jetzt stand

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