Havelgeister (German Edition)
ersparte er sich. Stattdessen brach er durch zwei Hecken, die auf seinem direkten Weg zum Parkplatz lagen. Catos heißen Atem glaubte er während des gesamten Sprints im Nacken zu spüren, den Wind dagegen, der über ihm durch die Eichenkronen rauschte und das aufziehende Gewitter ankündigte, nahm er genauso wenig wahr, wie den Umstand, dass sowohl Frieda Boll als auch Cato seelenruhig zu ihrem Haus abgebogen waren.
***
Bei Familie Böttger hatte niemand geöffnet, weshalb Manzetti wieder nach Hause gefahren war und einen kalten Rosé öffnete. Nach dem ersten Glas ging er hinaus auf die Terrasse. Lara saß in Gedanken versunken auf einem Rattansessel und starrte Löcher in die Luft.
»Guten Abend«, sagte er. »Wo sind denn die anderen beiden?«
Lara nickte kaum sichtbar. »Sie sind zum Reiten bei Paul. Außerdem hat er frisches Birnenkompott gemacht.«
Das sah Paul ähnlich. Bestimmt hatte er mit blumigen Worten beschrieben, wie schwer es ihm gefallen war, die vielen Birnen aus der Krone des riesigen Baumes zu holen. Kerstin und Paola hatten ihm sicher geglaubt, denn Paul war, wenn es um Seemannsgarn ging, noch immer ein Vollprofi.
Aber darum ging es Manzetti gerade nicht. Er hatte aus einem anderen Grund das Gespräch mit seiner großen Tochter gesucht, und der hatte nichts mit Paul zu tun. »Lara«, sagte er und legte ihr die schwere Hand auf den Unterarm.
»Was ist?«
»Können wir mal miteinander reden?«
»Jetzt?«Sie zog ihren Arm weg. »Geht das nicht ein anderes Mal?«
»Nein, jetzt«, entgegnete Manzetti herrisch, was ihm sofort leid tat. Die Begegnung mit Cato saß ihm noch in den Knochen. Aber davon ahnte Lara nichts, weshalb sie den Kopf hochnahm und ihren Vater mit verängstigten Augen ansah.
»Ich werde den Aufkleber auf keinen Fall entfernen«, sagte sie, ohne dass Manzetti danach gefragt hatte.
»Das musst du auch nicht«, antwortete er und trank aus dem beschlagenen Glas einen Schluck Rosé. »Aber lass uns mal über das reden, was dahintersteckt.«
»Und was soll das deiner Meinung nach sein?«
»Eine Truppe. Nennen wir sie die Jünger des großen Adlers .«
Lara zog die Augenbrauen zusammen. »Welche Truppe? Und wie kommst du auf solch einen bescheuerten Namen?«
Manzetti drohte schon wieder die Geduld zu verlieren. »Kind, ihr benutzt doch nicht zufällig alle den gleichen Wappenvogel. Du auf dem Helm und die anderen an Bettlaken. Also, wer gehört außer dir und Nepomuk Böttger noch zu eurer Crew?«
Lara drehte den Kopf und sah auf den See hinaus. »Crew? Ich kenne keine Crew«, behauptete sie, als würde das bei diesem Vater genügen.
»Nicht? Und was ist das mit dem Adler? Das ist das Erkennungszeichen einer Graffiticrew, was zwar ungewöhnlich ist, aber es ist so. Und, meine liebe Tochter, ich habe den Verdacht, dass du dazugehörst.«
Sie sah ihn wieder an. »Meinst du mich?«
»Ja, dich. Es geht um das große Bild auf dem Dach des Doms. Was weißt du davon?«
»Nichts«, antwortete sie und interessierte sich wieder mehr für den See, als für den Vater.
»Nichts? Irgendwann, Lara, wird dich ein anderer Polizist danach fragen, und dann kann ich dir vielleicht nicht mehr helfen.«
Ihr Kopf flog so schnell herum, dass die Haare fast den Anschluss verpasst hätten. »Und nur deshalb willst du mich ausfragen?«
»Ja«, log Manzetti, auch weil er die Botschaft ihrer Frage überhaupt nicht erkannt hatte.
»Das glaub ich dir nicht«, lautete daraufhin Laras Vorwurf. »Du willst, dass ich meine Freunde ans Messer liefere.«
Manzetti zog es vor, einen Augenblick zu schweigen. Das war es also, was sie seit heute früh so verändert hatte. Er fragte sich, wie seine Frau in solch einer Situation reagieren würde, und wagte einen Versuch.
»Schatz«, sagte er um Gewinn bemüht, »auch wenn du im Moment vielleicht glaubst, dass ich nicht auf deiner Seite stehe, musst du mir alle Fragen beantworten. Ich bitte dich einfach darum, weil ich …«
»Warum sollte ich das tun?«, fiel sie ihm erneut und immer noch äußerst heftig ins Wort. Sie war ohne Zweifel auf Krawall gebürstet. »Ihr Bul …« Lara erschrak und sah den Vater an, als wäre ihr eines seiner teuren Weingläser auf den Boden gefallen. »Die Polizei glaubt doch sowieso nur das eine, und das ist, dass wir nichtsnutzige Schmierfinken sind.«
»Inwiefern Schmierfinken?«, hakte er nach.
»Das weißt du ganz genau.«
»Malst du auch oder nur die anderen?«, versuchte Manzetti es anschließend weiter mit der
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