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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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endlich abgestochen habe wie eine Ratte.«
    »Na, na, na. Wer wird denn gleich so garstig sein.« Er schüttelte den Kopf, was Kutzner noch mehr in Rage brachte. Aber hier, mitten in der Stadt, wo dutzende Zeugen patrouillierten, war er sich sicher, dass ihm nichts passieren konnte. Würde er Kutzner irgendwo allein im Wald begegnen, verliefe das Gespräch garantiert anders.
    »Pass mal auf, Schreiberling, dass ich dir nicht eins in die Fresse gebe. Das geht ganz schnell und keine Sau hilft dir.«
    »Doch«, sagte Michaelis und sah auffällig zu zwei jungen Männern, die auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig nebeneinander hergingen. »Mein Bruder hilft mir. Er ist immer in Reichweite und schreckt nicht davor zurück, Sie in den Gully zu stecken.«
    Kutzner drehte sich etwas zur Seite und blickte in die Richtung, in die zuvor Michaelis geschaut hatte. »Das soll dein Bruder sein? Dass ich nicht lache. Soll er doch herkommen, die Flachzange. Kriegt auch noch eins in die Fresse.«
    »Schwamm drüber, Kutzner. Es ist doch lange her.«
    Und das war es wirklich. Jörg Kutzner war schon immer Angehöriger eines Standes, der sich durch tiefgreifende Erfolglosigkeit auszeichnete. Nach zehnjährigem Schulbesuch, bei dem ihn die Lehrer je zweimal in der dritten und der sechsten Klasse sehen wollten, bevor er sich so gut wie nicht mehr sehen ließ, hatte man ihn mit ratlosem Schulterzucken ins Leben entlassen. Und da ging es nicht viel besser weiter. Kutzner hüpfte von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob und begann irgendwann eine Karriere als Kleinkrimineller. Aber selbst das wurde keine wirkliche Erfolgsstory.
    Zu früh hatte er geglaubt, dass man ihm nie auf die Schliche kommen würde, aber nach nicht einmal drei Jahren schlossen sich hinter ihm das erste Mal die Zellentüren. Und das wiederholte sich häufig, bis Kutzner eines Tages in der Politik auftauchte. Er verteilte Wahlkampfbroschüren an einem Stand auf dem Neustädtischen Markt, ohne wirklich zu wissen, was auf den bunten Zetteln stand, denn mit dem Lesen hatte er seit frühester Kindheit über Kreuz gelegen. Aber wer Parolen der NPD verteilte, der geriet automatisch in den Fokus der Staatsschützer. Ehe Kutzner begriffen hatte, worum es eigentlich ging, saß er wieder hinter Gittern und als der Märkische Kurier seine Recherchen zur Brandstiftung an einem autonomen Jugendklub den Strafverfolgern zur Verfügung stellte, verschwand Kutzner mal richtig. Fünf Jahre, hatte der Richterspruch gelautet, und dafür gab Kutzner nun dem Kurier, also Werner Michaelis, die Schuld.
    »Was heißt hier Schwamm drüber? Mein Anwalt hat gesagt, dass ich nur wegen euch fünf Jahre gekriegt habe. Die Bullen alleine hätten mir nie so viel aufbrummen können.«
    Michaelis machte einen Schritt zurück, denn Kutzner schien jeden Moment zu explodieren. »Das stimmt nicht ganz«, widersprach er, als er aus der Reichweite seines Gegenübers war, »aber lassen wir es dabei. Nutzen Sie doch einfach die Chance, endlich solide zu werden.«
    Kutzner stand noch immer breitbeinig auf dem Bürgersteig und legte den Kopf leicht schief.
    Michaelis verstand und nickte. »Ich meine, keine krummen Dinger mehr drehen. Solide eben.«
    »Quatsch mich nicht voll, Schreiberling. Ich bin sol … es ist alles gut mit mir. Ich mache sogar Abendschule, Mann.«
    Michaelis war überrascht. »Wo denn?«
    »Na, bei uns im Zentrum. Völkische Geschichte. Die wahren Feinde von Großdeutschland. Verstehste?«
    Michaelis verstand und konnte sich insbesondere die Lautstärke und die Gesten der Referenten gut vorstellen. »Ja, ich denke schon. Und zu denen gehöre wohl auch ich.«
    »Genau, Schreiberling. Du und noch so ’n paar von eurer Mischpoke. Aber du kannst mir glauben. Eines Tages kriegen wir euch alle.«
    »Ich weiß«, sagte Michaelis. »Mit Danonejogurt.«
    Als er hinter dem breiten Rücken von Kutzner einen blau-silbernen Streifenwagen in die Kurstraße einbiegen sah, kam ihm ein genialer Gedanke.
    »Kutzner«, er sah dem Riesen wieder in seine völkisch braunen Augen, »ich habe gehört, dass ihr in eurem Zentrum den falschen Hitlergruß lernt. Stimmt das eigentlich?«
    Kutzner riss die Augen weit auf. »Quatsch. Wir sind richtige Profis«, wehrte er sich gegen diesen aus seiner Sicht absurden Vorwurf.
    »Nein echt«, beharrte Michaelis und schielte wieder zum Streifenwagen, der nur langsam näher kam, aber mittlerweile wohl dicht genug bei ihnen war. »Zeig doch mal wie der richtig gehen soll.«
    »Na

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