Haveljagd (German Edition)
andere ein Kombinationsgenie mit dem Hang zu Gefühlsausbrüchen, deren Richtung man allerdings zumeist erst erkannte, wenn die Ausläufer im eigenen Gesicht einschlugen. Verbal natürlich, aber das war jetzt egal. Die Aussicht auf Zusammenarbeit mit den beiden legte sich über jeden Zweifel.
Wenig später saßen alle drei bei einem tiefschwarzen Espresso in Bremers Büro, das wie immer aussah wie ein Souvenirladen für Touristen aus aller Herren Länder.
»Ich habe es mir doch gedacht.« Bremer sah auf den Monitor seines Computers. »Das, mein lieber Michaelis, bestätigt Ihre These, dass hier nicht koscher gekocht wird. Schauen Sie her«, forderte der Gerichtsmediziner und winkte die beiden näher heran. »Als Manzetti mich vorhin anrief und mich nötigte, Verbotenes zu tun, habe ich mich an ein Verfahren erinnert, das wir im Kosovo angewendet haben. Man kann damit zumindest den Verdacht erhärten, dass jemand nachgeholfen hat.«
»Was meinen Sie damit?« Manzetti sah zwar zum Monitor, hatte wohl aber die gleichen Probleme mit den Kurven und Säulen der ganzen Diagramme wie Michaelis.
Bremer nahm sich einen Bleistift und zeigte mit der Spitze auf eine rote Linie. »Manchmal sieht alles so aus, wie es aussehen soll. Oberflächlich, versteht sich. Aber die Chemie und mich überrumpelt niemand.«
»Bremer.« Manzettis Bariton war auch ohne weitere Worte Aufforderung genug.
»Dank Ihres Ungehorsams haben wir hier also das Ergebnis der Blutanalyse.«
»Ungehorsam?«, fragte Michaelis. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
»Ja.« Bremer drehte sich um. »In der Hütte Ihres Kumpels. Er hat mir entgegen der staatsanwaltlichen Weisung befohlen, Blut zu zapfen und das erst einmal im Kühlschrank zu lagern.«
Michaelis schaute mit offenem Mund zu Manzetti, der unbeeindruckt auf den Monitor sah, als ginge ihn dieser Dialog überhaupt nichts an. Ihn aber überkam ein Gefühl der Verbundenheit, das er lange nicht mehr in sich gespürt hatte. Er ging einen Schritt auf Manzetti zu und legte ihm ganz behutsam eine Hand auf die Schulter.
»Bremer«, mahnte Manzetti erneut. »Können wir jetzt endlich weitermachen?«
»Können wir. Also, die Kurven hier sind der Nachweis von Vasopressin.«
»Und was ist das, Vasopressin?«, wollte Manzetti wissen.
»Konservative Mediziner verabreichen bei Herzstillstand im Zusammenhang mit Herz-Kreislaufproblemen noch Vasopressin, obwohl eine französische Studie längst nachgewiesen hat, dass man Vasopressin in der präklinischen Reanimation nicht mehr benötigt.«
»Und was heißt das«, unterbrach Michaelis den Redefluss des Arztes.
»Eine Zeit lang hat man 1 mg Adrenalin und 40 internationale Einheiten Vasopressin injiziert, bis eben die besagte Studie den Nachweis führte, dass Adrenalin allein dieselbe Wirkung erzielt.«
»Die beiden haben also einen Stoff erhalten, den man injiziert, wenn man sich nicht besonders gut auskennt, um jemanden ins Leben zurückzuholen.« Manzetti trank den Espresso aus, der nur noch lauwarm war und dadurch erheblich an Aroma verloren hatte. Als er die leere Tasse mit einem leisen Klicken auf den kleinen Teller stellte, formulierte er eine Frage. »Wurden sie womöglich gefoltert?«
»Daran habe ich auch gedacht«, sagte Bremer. »Aber dann hätten sie äußere Verletzungen, und die konnte ich bei beiden nicht finden.«
»Aber welchen anderen Grund konnte jemand haben, sie zu reanimieren?«
»Langsam, langsam«, beschwerte sich Michaelis. »Was heißt hier gefoltert?«
Bremer öffnete einen kleinen Wandschrank, nahm drei Gläser heraus und eine Flasche ohne Etikett. Da die Gläser eher winzig waren, würde es sich bei dem Getränk kaum um Apfelsaft handeln.
»Manzetti meint, dass es keinen anderen logischen Grund gibt beiden Vasopressin zu spritzen, als dass man sie bis zum Herzstillstand gefoltert hat. Womit auch immer.«
»Aber Sie sagten doch selbst, dass Sie keine Spuren gefunden haben, die eine Folter verifizieren würden?«
Manzetti wirkte einen Moment wie geistesabwesend. Dann hatte er offenbar eine Lösung. »Erinnern Sie sich an die Münzmorde vor zwei Jahren?«
Bremer nickte.
»Die Wasserfrage. Vielleicht haben wir hier einen Nachahmer.«
»Was ist die Wasserfrage?« Michaelis kam sich vor wie ein kleiner Junge, dem zwei Erwachsene das Einmaleins auf Serbokroatisch erklärten.
»Folterung durch Unmengen von Wasser, die dir in Nase und Mund gekippt werden, bis du fast ertrinkst.«
»Aber dann hätten wir doch Spuren gefunden«,
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