Haveljagd (German Edition)
sagte Manzetti. »Denn der Täter hätte sie fesseln müssen.«
»Ganz einfache Lösung«, kündigte Bremer an und genehmigte sich erst einmal einen Schluck seines namenlosen Getränks. »Zwangsjacke.«
»Ich verstehe«, sagte Michaelis. »Sie stecken ihr Opfer in eine Zwangsjacke, was verhindert, dass Fesselungsmale zurückbleiben.«
»Richtig«, lobte Bremer.
»Aber zurück zur Wasserfrage. Könnte das zu Herzstillstand führen?«
»Sicherlich«, antwortete wieder Bremer, der in solchen Dingen ein wahrer Experte war. »Und es muss nicht einmal ein Nachahmer unseres Täters vor zwei Jahren gewesen sein. Wer in den letzten Wochen aufmerksam die Presse verfolgt hat, der weiß doch, wie man mit Wasser foltern kann.«
Werner Michaelis hatte den geistigen Anschluss wieder hergestellt.
»Sie meinen Guantanamo?«
»Genau«, sagte Bremer. »Die Amis haben es der ganzen Welt vorgemacht. Waterboarding zur Erpressung von Geständnissen.«
Manzetti rieb sich den Nacken. »Wann würden Sie bei einer Folter den eigenen Tod in Kauf nehmen? Oder anders gefragt, was wäre es wert zu schweigen bis zum Exitus?«
»Die Vokabel was scheint hier nicht richtig gewählt«, warf Bremer ein.
Manzetti reagierte sofort und fiel dem Arzt ins Wort. »Sie meinen, es müsste richtig heißen, für wen würde man schweigen, denn von einem Was hat man ja nach dem eigenen Tod auch nichts mehr.«
»Und bei der Frage für wen, kommen für die meisten von uns nur sehr wenige Menschen in Betracht«, nahm Michaelis mit einem äußerst unguten Gefühl den Gedanken von Manzetti auf.
11
Dank der Erkenntnis, dass Kurt Becher und seine Frau anscheinend gefoltert worden waren, konnte man nun davon ausgehen, dass man es nicht mit einem erweiterten Selbstmord zu tun hatte. Es gab zwar noch keinen eindeutigen Beweis, aber Michaelis war froh, dass seine Zweifel ernst genommen worden waren und nach dieser Entdeckung noch viel ernster genommen werden würden. Seine Argumente waren auf fruchtbaren Boden gefallen und würden dort Keime treiben. Davon war er felsenfest überzeugt.
Andrea hatte trotzdem darauf gedrungen, dass sie alleine weitermachten, weder die Polizei, noch die Staatsanwaltschaft einbezogen, und er würde seine Gründe dafür haben, auch wenn er die nicht kundtat.
Sie hatten so etwas wie einen Schlachtplan gemacht. Andrea sollte sich um polizeiliche Dateien kümmern, Michaelis selbst wollte versuchen, Kurts Anwalt um sein Wissen zu erleichtern und Bremer musste sich erst einmal nur bereithalten. Wer wusste denn, was in den nächsten Tagen alles auszuwerten sein würde?
Zur Zentrale kürten sie sein Zimmer in Lottes Pension, weil sie dort nicht nur ungestört waren, sondern auch hin und wieder belegte Brötchen und andere kulinarische Kostbarkeiten gereicht bekamen.
Jetzt sah Michaelis auf seine Armbanduhr. Für zwölf war er mit dem Anwalt Malte Richter verabredet. Also hatte er noch gut dreißig Minuten Zeit, und die wollte er nutzen, um sich wieder mal ein Buch zu besorgen. Auf die freizügige Art, wie er es nannte, denn schließlich hatten die Buchläden ja genügend Exemplare und würden durch den Verlust einzelner nicht in die Insolvenz gehen. Er bog nach rechts in die Kurstraße ab und sah den Bürgersteig entlang. Nein. Um Himmels willen. Aber es war schon zu spät. Der Kerl schmiss gerade die Tür seines rostigen Peugeots zu und baute sich breitbeinig vor Michaelis auf.
»Na, Schreiberling. Wohin willst ’n?«
»Mensch, Kutzner. Geben Sie nie Ruhe?«
»Ich will doch nur wissen, wohin du willst?«
Jörg Kutzner, 45, aber mit dem Intellekt eines Fünfzehnjährigen ausgestattet, tippte provokant mit einem Fuß auf den Bürgersteig. Zurückhaltende Intelligenz, nannte Michaelis Kutzners geistige Möglichkeiten, und wenn die Einträge in den Polizeiakten stimmten, dann war Jörg Kutzner einen Meter achtzig groß, und nach Michaelis’ Schätzung fast ebenso breit. Kutzner hatte Arme wie Zuchtbullen Hinterläufe und ein von Akne zerfurchtes Gesicht.
»Und wozu müssen Sie das wissen? Wollen Sie mich begleiten?«, fragte er, obwohl er wusste, dass Kutzner dazu sicherlich keine Lust haben würde.
»Schreiberling, dich begleite ich nur noch einmal«, prahlte Kutzner und fuchtelte mit seinem Autoschlüssel vor Michaelis herum. Dabei kam der Schlüsselanhänger, das Eiserne Kreuz erster Klasse, dessen Gesicht bedrohlich nahe.
»Nur noch einmal, hörst du, Schreiberling. Nur noch zum Friedhof begleite ich dich, nachdem ich dich
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