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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Ansonsten würde er aus dem Mann kein einziges Wort herausbekommen, denn Anwälte liebten die Zeitungen nicht sonderlich dafür, dass ihre Mandanten darin hin und wieder die Rolle der Bösewichte übernahmen.
    »Nein«, sagte er entschieden. »Ich komme nicht als Journalist, falls Sie das glauben.«
    »Es fällt schwer, sich das bei einem Mann wie Ihnen vorzustellen.«
    »Und warum, wenn ich fragen darf?«
    Die Lippen von Richter bewegten sich, als suche er nach Worten. »Sie rennen hier durch die Stadt und fragen Leute aus, immer mit dem Einleitungssatz, dass Becher ein alter Schulfreund von Ihnen sei. Meinen Sie wirklich, das bleibt unkommentiert?«
    Natürlich nicht. Das wusste er selbst, und dafür war Brandenburg auch viel zu klein.
    »Ich kann es für Sie noch einmal wiederholen. Kurt Becher war wirklich mein Freund.«
    Richter hob abwehrend beide Hände. »Ich habe es ja verstanden«, sagte er. »Und wie sind Sie nun auf mich gekommen?«
    »Nina«, erklärte Michaelis geradeheraus. »Die Tochter von Kurt hat mir gesagt, dass Sie ihre Eltern juristisch vertreten haben.«
    Richter lehnte sich nach vorn und räumte die Öl- und Essigfläschchen sowie die Vase mit der einzelnen gelben Gerbera zur Seite. »Und was wollen Sie wissen?«, fragte er dann.
    Michaelis holte tief Luft. »War Kurt wegen des Vorwurfs der Kinderpornographie bei Ihnen? Und haben Sie ihm empfohlen, Oberstaatsanwalt von Woltersbrück aufzusuchen?«
    Richter führte seine rechte Hand zum Ölfläschchen zurück und drehte es gedankenversunken zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Nein.« Dann sah er Michaelis direkt an und faltete seine Hände vor dem Körper. »Nein auf beide Fragen.«
    »Aber er war doch bei Ihnen?«
    Malte Richter nickte und schloss die Augen. Dann holte auch er tief Luft. »Ja, das war er.«
    »Und was wollte Kurt?«
    Ihre Blicke trafen sich jetzt genau über der Tischmitte. Beide wussten sie, welche Antwort folgen würde.
    »Ich bin Anwalt, Herr Michaelis, und in einer bestimmten Hinsicht unterscheide ich mich damit nicht von Priestern und Schweizer Bankern.«
    »Schön«, sagte Michaelis, während er hinter sich hören konnte, wie der Kellner den schmalen Gang entlangkam. Auf dem Tablett zwei beschlagene Weißweingläser. »Nennen wir es den offiziellen Akt. Mich interessiert aber die andere Seite der Medaille.«
    Nachdem der Kellner wieder weg war, erhob Richter sein Glas und trank einen Schluck. »Wie gesagt, ich bin Anwalt und kein Marktschreier. Aber Strafrecht hat mir schon beim Studium keine große Freude bereitet. Außerdem verdient man nicht genug damit.«
    Er war zweifelsohne ein sehr geschickter Rhetoriker, der auch zwischen den Zeilen formulieren konnte. Das machte ihn aus Michaelis’ Sicht sympathisch. Trotzdem reichte ihm die Antwort noch nicht.
    »Lieben Sie Wilhelm Busch, Herr Richter?«
    Der Anwalt stellte das Glas vor sich ab. »Heute nicht mehr, aber als Kind fand ich seine Geschichten großartig.«
    »Wissen Sie, was der einmal gesagt hat?«
    »Erzählen Sie es mir.«
    Michaelis blickte nach links und rechts, als würde er gleich ein Geheimnis preisgeben. »Sie müssen hinter die Puppenbühne gehen, um die Drähte zu sehen.«
    Richters Blick schweifte aus, und Michaelis bildete sich sogar ein zu sehen, wie Kurt und Eva den Raum betraten und damit begannen, auf ihren Anwalt einzureden. Sie sagten ihm, dass er nunmehr von seiner Schweigepflicht entbunden sei und dass sowohl Nina als auch ihr langjähriger Freund Werner ein Recht darauf hätten zu erfahren, was wirklich zu ihrem Tod geführt habe.
    Soweit sein Traum. In der Wirklichkeit wurde Richters Blick wieder klar und geradeaus. »Kann ich Ihnen vertrauen?«
    »In jeder Hinsicht«, sagte Michaelis. »Ich möchte Ihnen noch mal in Erinnerung rufen, dass ich mit Kurt und Eva befreundet war, auch wenn wir uns einige Zeit nicht gesehen haben. Aber Kurt war einen Abend vor seinem Tod bei Oberstaatsanwalt von Woltersbrück und hat dann auf verschiedenen Wegen versucht, mich zu erreichen. Jedoch ohne Erfolg. Jedenfalls wollte er unbedingt mit mir reden, und ich habe leider gegen den Grundsatz verstoßen, dass es kein Morgen gibt, wenn ein Freund dich bittet. Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und helfen Sie mir, es ein wenig wieder gutzumachen.«
    Damit hatte er sein Pulver verschossen, weitere Argumente fielen ihm nicht ein. Er konnte nur noch warten und hoffen, dass Richter sich endlich überwandt. Und der schien zu grübeln, als ginge es um das Plädoyer

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