Haveljagd (German Edition)
dass man Ihren Vater mit dieser Kinderpornogeschichte lediglich unter Druck setzen wollte? Hat er mal so etwas angedeutet?«
Nina machte eine eindeutige Kopfbewegung. »Das hat er. Und nach dem letzten Besuch von Melanie, die nicht nur Tim, sondern auch meinem Vater die neusten Tricks und Kniffe am Computer beibrachte, war er wie ausgewechselt. Er sprang plötzlich auf und fuhr zu von Woltersbrück. Das war einen Tag vor seinem Tod.«
»Und was wollte er da?«
Nina zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Melanie hatte ihm lediglich eine simple Frage beantwortet, die er übrigens auch mir hätte stellen können.«
»Und welche war das?«
»Ob man auf der Festplatte sehen kann, wann Daten aus dem Internet heruntergeladen wurden.«
21
Manzetti hatte mit Bremer telefoniert und sich dann an der Theaterklause absetzen lassen, dem neuen Stammlokal von Bremer.
Wie würde der jetzt wohl aussehen? Bremer war suspendiert, also mit Sicherheit niedergeschlagen, und gegen solcherlei Gemütszustände kannte der Arzt nur ein Mittel.
Schon von Weitem sah Manzetti ihn draußen vor der Klause sitzen, unter einem riesigen Sonnenschirm und mutterseelenallein an einem runden Tisch. Bremer stierte auf seine Schuhe und schien sich für die Welt um ihn herum überhaupt nicht zu interessieren.
»Hallo«, begrüßte Manzetti ihn. »Wie geht’s?«
Bremer hob ganz langsam den Kopf. »Gut«, sagte er überraschend klar, aber mit einer gehörigen Portion seines ihm wohl angeborenen Sarkasmus’. »Ich habe ja so etwas wie Urlaub und da geht es mir also gut. Außerdem«, er deutete mit dem Kopf auf den Tisch, »ist der Kamillentee Wellness für meine Leber.«
Manzetti setzte sich und roch an der Tasse. Tatsächlich, es war reinster Kamillentee. Heute hätte er nicht einmal mit Bremer gemeckert, auch wenn Alkohol keine Lösung war. Aber Verständnis hätte er aufgebracht. »Wie ist das zu verstehen?«, fragte er und stellte die Tasse wieder hin.
»Was glauben Sie? … Ich bin doch nicht zu Unrecht rausgeflogen, und nun versuche ich mein Leben zu ändern, um irgendwie bis zur Rente wieder eingestellt zu werden.«
Kein schlechter Vorsatz. Blieb die Frage, wie lange Bremer seinen irgendwann einsetzenden Entzugserscheinungen Paroli bieten konnte oder wollte.
»Ich kann mir vorstellen, dass man Ihre Suspendierung bald rückgängig macht.«
»Manzetti«, sagte Bremer mit gönnerhafter Geste, »Ihre Bemühungen in allen Ehren, aber Sie müssen mich nicht wieder aufbauen. Ich bin nämlich nicht am Boden zerstört.«
Manzetti schüttelte den Kopf. »Darum geht es auch gar nicht. Der Fall Becher hat eine ziemlich jähe Wendung genommen, die auch Auswirkungen für Sie haben könnte.« Dann zückte er sein Notizbuch und las Bremer vor, was er bei Nina Becher erfahren hatte.
»Mein lieber Scholli«, kommentierte Bremer die neuen Erkenntnisse. »Aber bei Frau von Woltersbrück kann ich mir das gut und gerne vorstellen.«
»Was?«, fragte Manzetti.
»Dass sie keine Lust auf Schwangerschaft hat, auf eingerissene Haut am Bauch, auf das tägliche Kotzen am Anfang und die Rückenschmerzen am Ende, wenn der Kleine immer größer wird und von innen an die Bauchdecke klopft.«
»Aber deshalb bemüht man doch keine Leihmutter. Ich dachte, man entscheidet sich für diesen Weg, wenn man aus medizinischen …«
Bremer winkte ab. »Manzetti, ich sage es ungern, aber manchmal sind Sie brutal naiv. Denken Sie doch mal nach und rufen sich das Bild der Freifrau vor Augen.«
Dazu musste er nicht lange nachdenken. Susanne von Woltersbrück war Mitte oder Ende dreißig, also mindestens zwanzig Jahre jünger als ihr Gatte und der Inbegriff eines Rasseweibs, das bestimmt ins Beuteschema tausender Männer passte. Nichts für ihn, denn er liebte die Natur in jeder Hinsicht, und hatte sich deshalb nach jedem Kontakt mit der Ehefrau des Oberstaatsanwaltes und ihresgleichen gefragt, wie es sich wohl anfühlt, wenn man über zum Platzen aufgeblasene Silikonbrüste streichelt, einen Waschbrettbauch liebkost und Wangen küsst, die durch jede Menge Botox kaum mehr für Zärtlichkeiten empfänglich waren? Aber jede dieser Frauen war alt genug und wusste hoffentlich, warum sie sich zu einer lächerlichen Komikfigur machte.
Schließlich nickte er Bremer zu. »Sie könnten Recht haben, was die Prognose zu den von Woltersbrücks angeht.«
»Dafür habe ich einen sechsten Sinn. Die Freifrau lässt höchstens plastische Chirurgen an ihren Körper, aber doch keinen
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