Haveljagd (German Edition)
Gynäkologen.«
Manzetti sah Bremer intensiv an. Dessen Hände zitterten nicht und der Verstand schien durch die neuen Trinkgewohnheiten keinen ernsthaften Schaden genommen zu haben. Aber doch war etwas anders als sonst. Irgendwie kam es ihm vor, als hätte der Tee das Feuer in Bremer gelöscht.
Schade eigentlich, aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Er benötigte Bremers Hilfe, und irgendwie glaubte er auch zu spüren, dass Bremer ihn brauchte.
»Bremer, können Sie mir helfen?«
Sofort ging ein Zucken durch die blauen Augen des Gerichtsmediziners. »Na klar doch. Ich dachte schon, Sie fragen mich nie mehr. Was wollen wir machen?«
»Von Woltersbrück. Ich brauche einen Beweis. Die Aussage von Nina Becher reicht nicht, und wenn Inka Schneider wirklich wusste, wer die Eltern von Tim sind, dann hat von Woltersbrück mit Sicherheit jeden Beleg dafür in ihrer Wohnung verschwinden lassen.«
»Das erklärt vielleicht auch, warum er entgegen dem ersten Eindruck bei der Schneider als Einziger sofort von einem Tötungsverbrechen ausging. So konnte er ungehindert die Wohnung durchsuchen und alles sichten, was in Papierform oder auf der Festplatte einen Hinweis auf sein Leihmuttergeschäft gab.«
»Richtig. Und deshalb brauche ich einen anderen Beweis. Ich muss ihn nämlich unter Druck setzen können, weil ich glaube, dass er oder seine Frau etwas mit dem Verschwinden von Werner und Tim zu tun haben.«
Bremer kratzte über seine Bartstoppeln und atmete tief ein. »Ich hab da eine Idee«, begann er, und Manzetti entdeckte in den Augen des Arztes so etwas wie ein schwaches Flämmchen. »Ja, so müsste es gehen.« Dann stand Bremer auf und pfiff auf einem Finger durch die Tür der Theaterklause. »René! Hol mal die Tasse mit dem scheußlichen Zeug hier weg und bring mir was Vernünftiges.«
Als er sich wieder an den Tisch setzte, loderten seine Augen wie eh und je, und Manzetti gönnte es dem alten Saufkopf sogar.
»Wo ist von Woltersbrück jetzt?«, fragte Bremer, der wie ein Schachspieler dem gegenwärtigen Moment bereits einige Züge voraus war.
»Ich weiß es nicht, aber das lässt sich herausfinden.«
Manzetti nahm sein Handy und wählte eine Nummer aus dem internen Speicher. Nach kurzem Warten räusperte er sich und nannte seinen Namen. »Herr Oberstaatsanwalt, ich hoffe, dass ich Sie nicht störe.«
»Doch, aber machen Sie schnell, ich bin auf einer Wahlkampfveranstaltung in Cottbus.«
»Dann will ich Sie wirklich nicht behelligen. Ich melde mich noch einmal, wenn Sie zurück sind.«
»Gut. Aber es kann spät werden. Vor zweiundzwanzig Uhr bin ich nicht in Brandenburg.«
»Dann melde ich mich eben morgen. Es ist auch nicht so dringend.« Nachdem er sich verabschiedet hatte, klappte er das Telefon zu.
»Er ist in Cottbus und erst gegen zweiundzwanzig Uhr wieder hier.«
»In Ordnung.« Bremer hatte plötzlich die Augen eines Kindes, die erwartungsfroh dem Sack des Weihnachtsmannes folgten. Sein Objekt der Begierde war allerdings das Tablett des Klausenwirts, auf dem ein goldgelbes Bier und ein eiskalter Wodka standen.
Ohne abzusetzen stürzte er das Bier hinunter und atmete aus wie ein Wikinger nach einem halben Liter Met. »Wenn ich mich bis achtzehn Uhr nicht gemeldet habe, dann müssen Sie mich suchen. Versprochen?«
»Wo wollen Sie denn hin?«, fragte Manzetti.
Als auch der Wodka weg war, antwortete Bremer mit einem Augenzwinkern. »In die Höhle des Löwen.«
***
Die Villa von Woltersbrück war ein typisches Herrenhaus des märkischen Landadels. Die als Schotterstreifen angelegte Auffahrt führte zu einem von Säulen umstandenen Hauptportal und von da im Halbkreis auch wieder weg, so dass sich die Kutschen der illustren Gäste früher wie heute nicht ins Gehege kommen konnten. Die Fenster der beiden Seitenflügel waren groß und hatten allesamt die gleichen Maße. Ansonsten machten die eine oder andere Ecke oder die beiden Gauben links und rechts vom Portal deutlich, dass dem Zahn der Zeit lange nichts entgegengesetzt worden war.
Bremer hatte seinen langjährigen Assistenten als Fahrer engagiert und bat den nun, im Auto sitzen zu bleiben und so zu tun, als beobachte er die Umgebung. Er selbst sah nicht aus, wie er ansonsten auszusehen pflegte, sondern trug einen schwarzen Anzug und eine dunkle Sonnenbrille. Und in seinem rechten Ohr steckte die Hälfte des Kopfhörers, den er sich für zwei Euro während seines letzten Urlaubsfluges nach Namibia bei der Stewardess gekauft
Weitere Kostenlose Bücher