Haveljagd (German Edition)
medizinischen Gründen keine Kinder bekommen können?«, fragte Sonja dazwischen.
»Auch dann«, antwortete Bremer. »Es gibt sogar Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren, und selbst die Vermittlung von Leihmüttern steht unter Strafe.«
»Aber es muss doch trotzdem irgendwie gehen«, beharrte Manzetti. »Sonst gäbe es Tim nicht.«
»Es geht ja auch, und gar nicht schlecht.« Damit gab Bremer zu erkennen, dass er sich mit diesem Thema bereits ausführlich befasst hatte. Er sah in das hübsche Gesicht von Sonja. »In Frankreich gibt es eine Petition gegen Leihmutterschaft. Sie zeigt sehr gut die Stoßrichtung der Kritiker. Vielleicht habt ihr es in eurem Fall ja mit Gegnern der Reproduktionsmedizin zu tun.«
Manzetti hörte angestrengt zu, hielt sich aber noch zurück, auch wenn ihm die Zeit im Nacken saß. Jede Minute war eine gegen Werner und gegen Tim.
»In dieser Petition heißt es«, setzte Bremer fort, »dass Leihmutterschaft verabscheuungswürdige Praktiken wie Ausbeutung von Frauen, genetische Programmierung von Kindern und die Förderung eines wissenschaftlichen Allmachtswahns heraufbeschwört.«
Das war das, worauf Manzetti gewartet hatte. Ein mögliches Motiv. Gier, und damit die Aussicht auf riesige Gewinne, wenn reiche Europäer oder Amerikaner bereit waren, Unsummen für das perfekte Kind zu bezahlen, das bereits im Kindergartenalter Opern komponierte und Einstein in den Schatten stellte, nachdem es zum Frühsport die 100 Meter Freistil in Weltrekordzeit geschwommen war. Dafür konnte man schon mal vier Menschen umbringen und zwei weitere verschleppen.
»Ist Leihmutterschaft in Frankreich denn erlaubt?«, fragte er in Richtung Bremer.
»Nein. Aber das Verbot wackelt. Es gibt einige Damen und Herren, die es ganz gerne kippen würden.«
»Wie viel ist daran zu verdienen?«
»Wahrscheinlich auf lange Sicht Milliarden.«
Die nächste Frage war reine Routine. »Und wer verdient daran?«
»Die Pharmaindustrie, große Klinikketten und die Agenturen, die vermitteln. Übrigens wäre das auch in Deutschland so, denn es geht nicht nur um Leihmutterschaft, sondern um Genmanipulation in großem Stil.«
Wo war der rote Faden? Der Freiherr und seine Frau waren höchstens selbst betroffen. Es war unwahrscheinlich, dass sie einen direkten Draht zu den drei Institutionen hatten, die Bremer als Großverdiener bezeichnete. Obwohl ...
»Sonja, gib mal in deine Suchmaschine von Woltersbrück ein.«
»Ich habe hier eine aktuelle Fundstelle, die ausnahmsweise mal nichts mit seinen politischen Aktivitäten zu tun hat. Der Vater des jetzigen Freiherrn ist im stattlichen Alter von neunzig Jahren gestorben.«
In Manzettis Kopf ratterte es. Von Woltersbrück – Michaelis – Becher – was war da noch?
Der Anwalt! Ihm fiel der Hinweis auf Malte Richter ein, den Kurt Becher aufgesucht haben sollte und der den Hinweis auf ein Testament gegeben hatte.
»Gib den Namen Malte Richter ein«, ordnete er an und sah zu Sonja.
»Fachanwalt für Erbrecht.«
Das konnte kein Zufall mehr sein. Der alte von Woltersbrück stirbt, Kurt Becher sucht einen Anwalt für Erbrecht auf. Könnte das die Verbindung zum Oberstaatsanwalt sein?
Da klingelte sein Telefon. »Kannst du rangehen?«, fragte er Sonja und hielt ihr den Apparat hin. Er verzog sich unterdessen mit Bremer in eine Ecke, wo sie ungestört sinnieren konnten.
»Bremer, stellen Sie sich vor, Sie sind glücklich verliebt und wollen Kinder.«
»Da brauche ich gar keine ausgeprägte Vorstellungskraft. Ich war ja schließlich auch mal jung.«
»Und warum haben Sie dann keine Kinder?«
»Weil es noch keine Leihmütter gab. Ich glaube aber nicht, dass sich heute alle Paare darüber im Klaren sind, dass sie eine riesige Schweinerei unterstützen. Die meisten, die auf diese Weise ein Kind wollen, gehen davon aus, dass ihr Geschäft sauber abgewickelt wird. Niemand von denen fragt da nach den Leihmüttern und deren Anteil am Geschäft.«
»Aber …«, wollte Manzetti protestieren, wurde aber von Bremer sofort unterbrochen.
»Oder wissen Sie, wie viele Kinderhände an Ihren Teppichen mitgeknüpft haben? Man glaubt doch immer das, was man glauben will, und das heißt, dass durch mein Tun kein anderer zu Schaden kommt. Schon gar keine Kinder.«
Bevor Manzetti darauf etwas entgegnen konnte, stand Sonja zwischen den beiden Männern. Sie gab Manzetti sein Handy zurück. »Sie haben einen ersten Hinweis.«
»Worauf?«
»Auf Werner Michaelis und Tim«, sagte sie, »und auf Inka
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