Haveljagd (German Edition)
der gute Mann verabschiedete sich auf halber Strecke und stieg in den Fond eines Audi A6 mit Potsdamer Nummer.
»Das ist Benno Müller«, sagte Sonja, als sie neben Manzetti ans Fenster trat.
»Wer ist das?«
»Er ist der Generalsekretär der Partei, in der all diese Herren da Mitglied sind, und damit das Bindeglied zwischen ihnen und dem Parteivorsitzenden.«
»So etwas wie der Wadenbeißer und das Jüngste Gericht in Personalunion, oder?«
»So etwas, ja.«
Nachdem die Herren in den großen Besprechungsraum getreten waren, setzten sie sich Manzetti und Sonja gegenüber. Links von Claasen die Vertreter der Anklage, der Generalstaatsanwalt und einer seiner Mitarbeiter, wahrscheinlich derjenige, der den Fall übernehmen würde, und rechts die politischen Beamten aus den Ministerien.
»Auf eine Vorstellungsrunde können wir wohl verzichten«, läutete Claasen die Debatte ein und bot gleich mal Kaffee an. »Herr Manzetti. Sie hatten um das Gespräch gebeten. Also bitte.«
Manzetti räusperte sich. Als er die Hände über der Tischplatte faltete, suchten seine Augen die von Sonja, an die er still, aber mit großen Buchstaben seine Frage richtete. Sie verstand sofort, nickte und legte wie nebenbei ihre Hand auf eine schwarze, nicht unelegante Damenhandtasche. Gutes Mädchen, ging es Manzetti durch den Kopf.
»Meine Herren«, begann er dann in einem äußerst unaufgeregten Ton. »Ich habe entsprechend meinem Unterstellungsverhältnis ständig den aktuellsten Ermittlungsstand an Direktor Claasen zu melden. Und so habe ich es auch heute getan, nachdem wir einige neue Ergebnisse in Bezug auf Oberstaatsanwalt von Woltersbrück aufzuweisen hatten.«
Der Generalstaatsanwalt war der Erste, der reagierte. Er drehte seinen Kopf und musterte Claasen.
»Wenn Sie es wünschen«, setzte Manzetti unterdessen fort, »schildere ich Ihnen anhand der Chronologie der Ereignisse unseren derzeitigen Ermittlungsstand.«
»Bitte«, sagte der Mann aus dem Justizministerium.
»Vor wenigen Tagen fand der ehemalige Chefredakteur des Märkischen Kuriers, Herr Michaelis, in einem Blockhaus am Stadtrand von Brandenburg die Leichen seines Schulfreundes Kurt Becher und dessen Ehefrau. Todesursächlich war bei beiden ein Schuss in den Kopf – erweiterter Suizid, wie wir annahmen. Das Untersuchungsergebnis teilte übrigens auch der zuständige Oberstaatsanwalt, Herr von Woltersbrück.«
»So weit habe ich die Herren bereits ins Bild gesetzt«, unterbrach Claasen. »Kommen Sie bitte zu den Dingen, die Sie mir gegenüber erst heute angedeutet haben.«
»Nicht so schnell, verehrter Herr Claasen«, mischte sich jetzt der Vertreter des Innenministeriums ein. »Lassen Sie doch Herrn Manzetti in seinem Vortrag fortfahren.«
»Aber«, wollte Claasen gerade protestieren, als der neben ihm sitzende Generalstaatsanwalt eine Hand auf seinen Unterarm legte.
Manzetti hatte das bemerkt, und ihm war auch sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Zumindest zwei dieser Herren waren nur aus einem einzigen Grund so schnell aus Potsdam gekommen und hatten dafür sicherlich andere wichtige Termine absagen müssen. Brandenburg stand vor einer bedeutenden Landtagswahl, und wenn man den Umfragen glauben konnte, würde es in einigen Ministerien neue Gesichter geben. Sie waren also hier, um sich und ihre Pfründe zu sichern.
Manzetti sah einmal in jedes Gesicht und setzte dann fort. »Sowohl Herr Michaelis, der mittlerweile pensioniert ist, als auch die Journalistin Inka Schneider erhoben schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft, weil sie mit dem Untersuchungsergebnis nicht einverstanden waren. Für sie gab es zu viele Indizien, die gegen einen Selbstmord sprachen, aber keinerlei Berücksichtigung fanden.«
»Herr Manzetti«, meldete sich der Generalstaatsanwalt. »Wer hat Herrn von Woltersbrück beraten?«
»Zuerst ich«, antwortete er.
»Und danach ich«, warf Claasen ein. »Oberstaatsanwalt von Woltersbrück ließ sich allerdings nicht von seiner Entscheidung abbringen.«
»Ein Fehler, wie ich finde«, sagte der Mann der Justiz und nahm sich dann seelenruhig seine Kaffeetasse, als ginge es hier ab sofort um nichts mehr.
Manzetti sah auf die Handtasche neben Sonja und hoffte, dass die Aufzeichnung jedes Wort klar wiedergeben würde. Auch, und vor allen Dingen, die letzte Bemerkung, denn die war nichts anderes als die Erklärung von höchster Stelle, dass niemand mehr an von Woltersbrück festhalten würde. Der Mann war abgeschrieben.
»Was haben Sie
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