Haveljagd (German Edition)
noch herausgefunden?«, fragte nun der Generalstaatsanwalt.
»Die Ermittlungen ergaben, dass vor geraumer Zeit gegen den mittlerweile toten Kurt Becher wegen Besitzes und Verbreitung von Kinderpornographie ermittelt wurde, und dieser Verdacht richtet sich mittlerweile auch gegen Werner Michaelis.«
»Wer hat den Verdacht gegen Michaelis formuliert?«
»Soweit ich weiß, wurden Fotos in seiner Wohnung gefunden.«
»Wer hat die Durchsuchung angeordnet?« Der ranghöchste Staatsanwalt des Landes hatte sich offenbar auf einen längeren Dialog mit Manzetti eingerichtet. Der aber musste die Frage an seinen Vorgesetzten weitergeben.
»Oberstaatsanwalt von Woltersbrück«, erklärte Claasen. »Und er selbst fand auch das Album mit den schändlichen Fotos.«
»Interessant«, sagte der Generalstaatsanwalt. »Wenn diese Vorwürfe sich erhärten sollten, müssten wir in den Opferkreisen der Kinderpornographie nach einem möglichen Mörder suchen. Aber, Herr Manzetti, Ihr dienstlicher Leiter berichtete uns, dass Sie noch eine andere Spur aufgetan haben. Ich meine damit diese Leihmuttergeschichte. Was ist da dran?«
Manzetti musste schlucken. Das war nun der Moment in drittklassigen amerikanischen Filmen, wo der Hauptbelastungszeuge von aalglatten Anwälten an einem Nasenring durch die Manege geführt wurde und keine Ahnung davon hatte, was auf der nächsten Seite des Drehbuches stand.
»Der Enkel des Ehepaares Becher, Tim Becher, ist das Produkt einer Leihmutterschaft, und die beiden leiblichen Eltern sind Herr und Frau von Woltersbrück.«
»Wie sicher ist das?«
»Einhundert Prozent«, erwiderte Manzetti. »Durch eine DNA-Analyse belegt.«
»Wer hat die angeordnet?«
Manzetti schwieg. Das musste ja so kommen. Hätte er doch nur den Schnabel gehalten. »Niemand. Das war eine …«
»Sie meinen eine illegale Aktion?«, fragte der Generalstaatsanwalt und lächelte. Manzetti guckte zwar noch ein bisschen skeptisch, hoffte aber, dieses Lächeln als eine Art Vergebung deuten zu dürfen.
»Also«, ergriff jetzt wieder der Herr aus dem Justizministerium das Wort. »Ich fasse zusammen. Dr. von Woltersbrück ist in eine ziemlich dumme Leihmuttergeschichte verstrickt, die alleine schon Zweifel an seiner Eignung für höchste Ämter begründet. Er manipuliert die Beweislage und belastet sich weiter durch aktiv betriebene Strafvereitelung. Ursächlich dürfte seine selbstverschuldete finanzielle Situation sein. Eine rein persönliche Motivlage, bedauernswert, aber das kann meine Beurteilung der Sachlage nicht beeinflussen.«
Der Generalstaatsanwalt zeigte auf den Mann neben ihm. »Staatsanwalt Engel wird den Fall jetzt übernehmen und hoffentlich in den nächsten Tagen zum Abschluss bringen«, verkündete er in dem Moment, da sich die anderen Herren erhoben und dem Ausgang entgegenstrebten.
»Aber die beiden Vermissten«, rief Manzetti ihnen hinterher. »Was ist mit denen?«
Claasen drehte sich noch einmal um. »Sie werden schon wieder auftauchen, wenn sie den neuen Ermittlungsstand morgen in den Zeitungen gelesen haben. Aber Sie suchen natürlich weiter, Herr Manzetti.«
War das möglich?, ging es Manzetti durch den Kopf. Konnte das wirklich wahr sein? Als ob die beiden sich aus Angst vor Verfolgungen nur ein wenig versteckt hätten. Und das könnte allenfalls auf Michaelis passen. Aber doch wohl nicht auf Tim!
Er blickte sich in dem mittlerweile fast leeren Raum um, in dem nur noch Sonja auf ihrem Stuhl saß.
»Verdammt«, sagte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. Man hatte ihm kurzerhand ein übermächtiges Gremium vor die Nase gesetzt und das Finale des Verfahrens bereits definiert, egal, was es an Ermittlungsergebnissen noch geben würde. Und Claasen war die Rolle des Wächters übertragen worden, die er ohne Wenn und Aber ausfüllen würde.
»Andrea«, hörte er Sonja rufen.
»Ja.«
»Aus, Schluss, vorbei, oder?«
»Sieht so aus.«
»Und was wird jetzt mit dem Jungen und deinem Freund?«
Das wusste er im Moment auch nicht. Er wusste nur, dass er weder Tim, noch Werner ihrem Schicksal überlassen konnte, und wenn ihn das seinen Job kosten würde.
24
Was war das bloß für eine riesige Scheiße? Manzetti saß auf dem großen Balkon seiner Wohnung und hatte den Kopf weit nach hinten gelegt. Er betrachtete die Sterne, folgte mit den Augen einem sich schnell bewegenden Punkt, wahrscheinlich einem Satelliten, und versuchte, mehr als den großen Wagen und das Sternbild des Orion zu erkennen.
Seine
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