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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Treppe herunterkam. Sollte er doch glauben, dass Menschen wie Jörg Kutzner nur schlecht rochen.
    »Und warum willst du wissen, ob der Mann noch mal wiederkommt?«
    »Weil die Frau es versprochen hat.«
    »Was hat die Frau denn genau gesagt?«
    »Na, dass er wiederkommt und uns nach Hause bringt, wenn Mama das Rätsel löst.«
    »Welches Rätsel?«
    »Es geht doch um ein Spiel. Der Mann hat mir von hinten die Augen zugehalten und verlangt, dass ich ganz still sein muss. Er hat mir noch einen Schal um den Kopf gebunden, damit ich wirklich nichts mehr sehen kann. Dann hat sich die Frau zu mir ins Auto gesetzt und erzählt, dass sie mit Mama mal in die Schule gegangen ist, und dass sie jetzt ein Spiel spielen will.«
    »Und was soll das für ein Spiel sein?«
    »Mama muss das Versteck finden, das Opa immer benutzt hat, und dann erhält sie die Botschaft, wo wir beide sind. Sie und ich.«
    Wie perfide konnten Frauen doch sein, ging es Michaelis durch den Kopf. »Ach so. Und da sie das Versteck noch nicht entdeckt hat, sitzen wir noch hier rum.«
    »Ja. Das kann noch dauern, aber ich habe ja Ferien.«
    »Wieso kann das noch dauern?«
    »Weil unser Versteck ganz schön schwierig zu finden ist.«
    »Da wart ihr wohl wahre Meister, dein Großvater und du?«
    »Ja, genau. Das findet Mama nur, wenn sie einen Tipp von der Frau bekommt.«
    »Und wie soll das gehen? Die Frau kennt doch das Versteck auch nicht.«
    »Doch, ich habe ihr dabei geholfen.«
    Michaelis spürte anhand neuer Schmerzen in seiner Schulter, dass Tim gerade den Kopf drehte und ihn ansah, obwohl es stockdunkel war.
    »Und wie müsste der Tipp lauten?«
    »Lesen.«
    »Lesen«, wiederholte er und tat so, als könnte er mit dem Hinweis überhaupt nichts anfangen. »Meinst du vielleicht Bücher?«
    »Ja.«
    »Dann habt ihr etwas in Büchern versteckt?«
    »Nein«, lachte Tim, der sichtlich Freude an dieser Form des Heiß-kalt-Spieles hatte. Er konnte ja nicht ahnen, dass Michaelis längst wusste, um welche Art Versteck es sich handelte.
    »Also doch nicht Bücher?«
    »Doch. Aber nicht in Büchern versteckt.«
    »Hm«, knurrte Michaelis. »Was kann man denn noch mit Büchern machen? Vielleicht sind einige Wörter markiert, die dann zusammen einen Satz ergeben? Wie bei Geheimagenten.«
    »Nein, aber schon ganz schön dicht dran.«
    »Weißt du, ich habe mit deinem Großvater mal auf einem Zimmer gewohnt. Da waren wir nicht viel älter als du jetzt. Und da hatten wir auch ein Bücherversteck. Das hat dein Großvater erfunden.«
    »Echt?«
    »Ja. Das Versteck waren die Anfangsbuchstaben der Buchtitel. Wenn man die aneinanderreihte, bekam man die Botschaft heraus.«
    »Klasse, oder? Genauso haben wir es in meinem Zimmer auch gemacht«, sagte Tim und richtete so gut es ging seinen Oberkörper auf. Für Michaelis eine Erleichterung in doppelter Hinsicht. Zum einen drückte Tims Kopf nicht mehr auf seiner schmerzenden Schulter, und zum anderen hatte er endlich das Versteck gefunden, auf das Kurt ihn im Bücherregal der Hütte aufmerksam gemacht hatte. Aber was nutzte ihm das hier unten in der Hölle?
    »Und das hast du dieser Frau erzählt?«
    »Ja. Sie sagte, dass sie in der Blockhütte meines Opas eine Botschaft gefunden hat, die einen Hinweis auf mich enthielt. Und da hat sie gedacht, dass das bestimmt Opas letzter Wille war.«
    »Und deshalb wollte sie also das Spiel in deinem Bücherregal fortsetzen.«
    »Klug ausgedacht, finden Sie nicht?«
    »Ja«, musste Michaelis zugeben. »Und ich hoffe, dass deine Mutter die Botschaft vor dieser Frau findet.«
    »Warum soll die Frau denn die Botschaft finden? Sie weiß doch, wo wir sind.«
    »Ach ja, richtig«, verbesserte Michaelis sich schnell und strich über Tims blonde Haare. »Da hast du natürlich Recht. Hast du die Frau eigentlich gesehen?«
    »Nein. Ich hatte doch die Augen verbunden.«
    »Aber du sagst, dass sie gut gerochen hat.«
    »Ja. Wie eine richtige Dame.«
    Obwohl er den natürlichen Duft von Frauen mochte und sich schon immer fragte, warum sie diese individuelle Note ständig mit teuren Parfümen überdecken mussten, interessierte er sich in diesem Moment brennend für die Geruchsnote der eleganten Dame.
    »Und wie roch das?«
    »Toll eben. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
    »Vergleich doch den Geruch mit Dingen, die du kennst.«
    »Dann roch sie wie … Wissen Sie, ich war mal mit Mama bei so einer Politikerveranstaltung. Mama hat dort Salate hingebracht. Da war so ein Politiker, der bald gewählt

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