Haveljagd (German Edition)
werden will und der hatte eine sehr schicke Frau.«
»Und was war mit der?«
»Die roch auch so. Wie eine Wiese voller Blumen.«
25
Nachdem von Woltersbrück gegangen war, setzte sich Manzetti wieder auf den Balkon. Er war kein leichtgläubiger Mensch und schon gar nicht, wenn ihm Politiker, und dazu zählte er den Oberstaatsanwalt noch immer, gegenübersaßen. Sein italienischer Großvater, in der Toskana aufgewachsen, um diesen Landstrich zeitlebens nicht zu verlassen, hatte ihm schon als kleinem Jungen die eine oder andere Lebensweisheit mit auf den Weg gegeben. Und dabei hatte Großvater Manzetti immer Landsleute bemüht, deren Ruhm noch heute zum Glanz seiner Geburtsstadt Florenz beitrug. Einer dieser Söhne der Toskana war der berühmte Leonardo da Vinci und auf seinem Balkon in Brandenburg erinnerte sich Manzetti nun an einen Satz des großen Künstlers und Erfinders. Die Erfahrung irrt nie, nur euer Urteil irrt .
Deine Erfahrung ist reichhaltig, sagte er sich, und ein Urteil hast du noch nicht gefällt. Jedenfalls nicht im Kopf, höchstens im Bauch, denn da machte sich seit von Woltersbrücks Abgang ein merkwürdiges Gefühl breit. Eine Gastritis konnte es nicht sein, und auch an der Qualität des Weins wird es nicht gelegen haben, viel mehr war jenes Glucksen mit dem Freiherrn in Zusammenhang zu bringen, zumindest mit dem, was der Freiherr ihm offeriert hatte.
Um das aber ganz genau zu analysieren, hatte er Bremer gebeten, auf ein Glas vorbeizukommen. Und das hatte der Gerichtsmediziner sich nicht zweimal sagen lassen, zumal er dazu lediglich einen Fußmarsch von knapp zweihundert Metern absolvieren musste.
»Wollen wir noch mal ganz von vorne anfangen?«, fragte Bremer und hielt das Weinglas fest, als drohe die Gefahr, Manzetti könne es ihm im nächsten Moment wieder entreißen.
»Vielleicht brauchen wir das gar nicht.«
»Sondern?«
»Vielleicht müssen wir lediglich die Fragen beantworten, die noch offen sind.«
»Na, dann los. Was wäre da die Frage Nummer eins?«
»Warum kommt von Woltersbrück ausgerechnet zu mir? Ich kann ihm doch nicht helfen, seine politische Karriere zu retten.«
»Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Es geht nicht um seine politische Karriere. Er ist einfältig, aber er ist nicht dumm. Es muss ihm klar sein, dass er mit dieser Leihmuttergeschichte als Justizminister ein für alle Male gestorben ist … Ihr Wein riecht übrigens ausgezeichnet.«
»Aber worum geht es dann?«
Bremer hob seine Hände, die rechte, mit der er das Glas hielt, ganz vorsichtig. »Was weiß denn ich? Nur eines dürfte klar sein. Er hat eine ziemlich hohe Karte ausgespielt, als er Ihnen seine Frau quasi auf dem Silbertablett präsentiert hat. Entweder hat er genug von ihr oder er hat wirklich viel zu verlieren und zieht nun kräftig an allen Drähten.«
Manzetti sah zu Bremer, der noch immer damit beschäftigt war, das volle Weinglas anzuhimmeln. Plötzlich fiel ihm wieder ein, wie Michaelis ihm von seinem Gespräch mit dem Anwalt Malte Richter erzählt hatte. Sie müssen hinter die Puppenbühne gehen, um die Drähte zu sehen. Und die Drähte schienen zu einem Testament zu laufen, wovon zuerst der Rechtsanwalt und jetzt auch von Woltersbrück gesprochen hatten.
Bremer schien in dieselbe Richtung zu denken. »Die Erbschaft. Wie hoch ist die eigentlich?«
»Nicht der Rede wert«, sagte Manzetti. »3,8 Millionen Euro.«
»3,8 Millionen Euro!«, pfiff Bremer durch die Zähne. »Manzetti, Sie haben sie doch nicht mehr alle. Auch wenn es sich bei den Möglichkeiten Ihrer Familie nur um Peanuts handelt, wissen Sie, was das für einen normalen Menschen bedeutet?«
»Damit kommen Sie nicht so weit, wie Sie vielleicht glauben.«
Bremer schüttelte den Kopf. »Sie vielleicht nicht. Aber ich wäre damit für alle Zeiten von hier verschwunden … Außerdem könnte ich mir dann auch so leckeren Wein kaufen.«
»Ja, Sie«, sagte Manzetti und winkte ab. »Aber ein von Woltersbrück sieht das wahrscheinlich etwas anders.«
»Aber auch für den sind 3,8 Millionen ein Batzen Geld. Ist er eigentlich Alleinerbe?«
Manzetti überlegte kurz. »Soweit Sonja das herausgefunden hat, nicht. Er muss es mit einer Schwester teilen, die das andere Anwesen der Familie in Mecklenburg bewohnt.«
»Dann bleiben aber immer noch 1,9 Millionen.«
»Na, und?«
»Und dann kommt Kurt Becher und fordert einen Teil für seinen Enkel, den Sohn des Freiherrn. Er behauptete sogar, dass ihm lediglich der Pflichtteil bleibe.
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