Haveljagd (German Edition)
meine Frau ausgesprochen hat.«
»Wieso?«
»Er brachte die Kopie eines Testaments mit, in dem mein Vater, der auf welchen Wegen auch immer von diesem Leihmuttergeschäft und damit von der Existenz seines Enkels erfahren hatte, Tim großzügig bedacht hat. Mir blieb dem Papier folgend nur der Pflichtteil.«
»Und deshalb musste Kurt Becher getötet werden und Tim wohl nun auch.«
»Ja, nachdem der Versuch fehlgeschlagen war, ihn mit dieser Kinderpornographie unter Druck zusetzen. Mit Sicherheit war sie es, die seinen Computer stehlen lassen hat, als Pfand sozusagen, um ihn damit zu erpressen, darauf einschlägige Fotos und Filme abzuspeichern und ihn so zu belasten. Jemand muss ihn aber aufgeklärt haben, dass man beweisen könne, wann solche Daten aus dem Internet heruntergeladen wurden.« Von Woltersbrück blickte nach unten.
»Und Sie glauben also, dass Ihre Frau sich durch das Leihmuttergeschäft das Geld besorgte, das sie für ihren Lebenswandel benötigte?«
»Ich glaube, dass sie die Agentur ist, nach der Sie suchen. Und das dürfte jede Menge abwerfen.«
»Geht das etwas genauer? Ich habe da keine rechte Vorstellung.«
»Schauen Sie«, sagte der Staatsanwalt und gab seine bequeme Sitzhaltung auf. »Ein Gynäkologe verdient im Jahr vielleicht 150.000 Euro. Das ist für manch einen viel Geld, aber wenn Sie sich nicht davor scheuen, im Ausland zu arbeiten, da, wo es kein Embryonenschutzgesetz gibt, dann können Sie als Reproduktionsmediziner gut das Doppelte verdienen, manche halten sogar eine halbe Million für realistisch.«
»Und Sie nehmen an, dass Ihre Frau für die Vermittlung in die richtige Klinik jeweils eine großzügige Provision kassiert hat.«
»Ja.«
»Und als ihr Kurt Becher damit drohte, das Geschäft kaputt zu machen, wenn sie nicht ihr eigenes Kind akzeptiert, hat sie für klare Verhältnisse gesorgt.«
»Richtig. Und um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen, ja, ich traue ihr auch einen Mord zu.«
»Das ist starker Tobak.«
»Ja, ich weiß. Aber sie hat auch unser Kind verleugnet und es seinem Schicksal überlassen.«
»Wo ist Ihre Frau jetzt?«
»Ich weiß es nicht. Als ich vorhin nach Hause kam, war sie bereits weg. Sie geht auch nicht an ihr Handy.«
»Hat sie ein eigenes Auto?«
»Natürlich.«
»Und was für eins?«
»Einen silbernen Mercedes SLK.«
***
Seit einer Stunde herrschten in ihrem Verlies endlich akzeptable Temperaturen. Wahrscheinlich war draußen die Sonne untergegangen, und so konnte sich der Metallmantel, der sie umgab, etwas abkühlen.
»Tut Ihnen immer noch etwas weh?«, fragte Tim und nahm seinen Kopf von Michaelis’ Schulter.
»Alles in Ordnung, mein Junge. Mir geht es prächtig.« Das war zwar glatt gelogen, aber er traute sich in Gegenwart von Tim nicht einmal, kurz aufzustöhnen, wenn der unbeabsichtigt seinen spitzen Ellbogen in die gebrochenen Rippen bohrte. Selbst jetzt in der Gefangenschaft ging nicht ein Wort des Jammerns über die Lippen des Jungen. Wahrscheinlich hatte seine Mutter vergessen, ihm das beizubringen.
»Das ist gelogen, stimmt’s?«
»Warum fragst du mich dann, wenn du so oberschlau bist?« Michaelis musste schmunzeln und zog Tim, dem er einen Arm um die Schulter gelegt hatte, dichter zu sich heran. Zu spontan, denn er musste sich wegen der Schmerzen in den Rippen sofort heftig auf die Lippen beißen, was noch zusätzlich wehtat.
»Weil Sie ab und an zittern, obwohl es hier nicht kalt ist. Und wenn mir etwas weh tut, zittere ich auch manchmal.«
»Es ist aber nicht so schlimm, wie du denkst.«
»Na, dann ist es ja gut … Ob der Mann noch mal wiederkommt?«
»Meinst du den, der so furchtbar riecht?«
»Ja«, sagte Tim.
Der Junge hatte ihm alles erzählt, seit sie Zellengenossen waren. Und dazu gehörte eben auch, dass der Mann, der Tim aus seinem Rollstuhl genommen hatte, sehr schlecht roch, wohingegen die Frau, die neben ihm auf dem Rücksitz des Autos gesessen hatte, wundervoll duftete.
»Ich weiß nicht, ob der Mann noch mal wiederkommt. Ich hoffe aber nicht.«
»Warum?« Tim lehnte sich wieder gegen Michaelis’Schulter .
Als der Schmerz nachließ und er die Zähne auseinandernehmen konnte, antwortete er: »Dann kann er uns nicht schlagen.«
Darüber schien Tim einen Augenblick lang nachdenken zu müssen. »Aber er hat uns doch gar nicht geschlagen. Er riecht nur schlecht.«
Dabei wollte es Michaelis dann auch belassen. Es musste nicht unbedingt sein, dass Tim jedes Mal in Panik geriet, wenn Kutzner die
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