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Havelsymphonie (German Edition)

Havelsymphonie (German Edition)

Titel: Havelsymphonie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Frau.“
    „Machen Sie sich mal um mich nicht solche Sorgen. Ich bin ganz gut abgehärtet, und außerdem weht mir die warme Luft aus dem Flur um die Beine.“
    Manzetti nickte mit einem verständnisvollen Gesichtsausdruck. „Wann haben Sie uns denn bemerkt?“ Er ging davon aus, dass die alte Dame längst wusste, dass er zur Polizei gehörte.
    „So vor etwa zwei Stunden war das. Sie haben zwar nicht übermäßig viel Krach gemacht, aber das Klappen der vielen Autotüren hat bei mir doch eine gewisse Neugier geweckt.“
    „Sind Sie denn öfter um diese frühe Zeit schon wach? Es war doch noch nicht einmal fünf Uhr, als wir hier erschienen.“ Er musste unweigerlich daran denken, dass er das Telefon am liebsten aus dem Fenster in den Stadtkanal geworfen hätte, als es ihn kurz vor halb fünf aus dem Schlaf gerissen hatte.
    „Natürlich. Um vier Uhr fünfundvierzig stehe ich gewöhnlich auf und mache Gymnastik. Dann lasse ich Fridolin rein, das ist mein Kater, und hole mir die Zeitung aus dem Briefkasten. Aber heute kam ja alles durcheinander.“
    Die letzten Worte der alten Frau erinnerten ihn unweigerlich an sein eigentliches Vorhaben. Er musste nach Hause, weil sonst auch bei ihm alles durcheinandergeraten würde. „Ich muss leider weiter.“ Er unterstrich seine Äußerung mit einem Blick auf die Uhr.
    „Das ist aber schade. Ich hätte Ihnen jetzt einen Kaffee angeboten, und Sie hätten mir dafür alles erzählt.“
    „Was meinen Sie denn mit alles ?“
    „Na eben alles. Sie haben doch bestimmt schon etwas, das die Neugier einer alten Frau befriedigt, oder? Zum Beispiel, wer die Tote war.“
    „Das wissen wir noch nicht“, musste Manzetti zugeben und wunderte sich plötzlich, wie bereitwillig er die Fragen einer ihm vollkommen fremden Person beantwortete. „Tja …“, er schaute wieder auf seine Uhr. „Jetzt muss ich aber wirklich weiter.“
    „Wenn wir uns mal wieder sehen, können Sie mir ja berichten, was Sie herausgefunden haben.“
    „Ja“, sagte Manzetti, obwohl er es eigentlich hasste, wenn Menschen Zusagen machten, nur weil es höflich war.
    Dann ging er rascher als zuvor über das vom Tau benetzte Pflaster der Wollenweberstraße. Am Jungfernsteig, dort wo seine Wohnung lag, drückte sich die kalte Luft vom Stadtkanal unter seinen Mantel, und so legte er noch einen Schritt zu.
    An der Wohnung angekommen, bemerkte er, dass alle Eile umsonst gewesen war. Die abgeschlossene Haustür des separaten Eingangsbereiches zu seiner Wohnung war nämlich das sichere Zeichen dafür, dass Kerstin mit den Kindern losgegangen war und ihn damit heute von seiner Donnerstagsaufgabe entbunden hatte. Er nämlich schloss die Tür zum Ärger seiner Frau nie ab, auch nicht vorhin, als er zum Tatort gegangen war. Auch die Märkische Allgemeine steckte nicht mehr im Briefkasten.
    Enttäuscht öffnete er die Tür und schaltete das Licht im Flur an. Beim Aufflackern der Leuchtstoffröhren kam ihm dann doch der erhoffte Geistesblitz.
    Die Zeitung. Natürlich.
    Wenn die alte Frau normalerweise kurz vor fünf die Zeitung aus dem Briefkasten nehmen konnte, dann musste der Zeitungsbote ja immer sehr früh durch das Viertel gehen. Vielleicht hatte der etwas gesehen? Möglicherweise sogar den Täter. Und möglicherweise war er sogar an die Leiche herangetreten, hatte die schöne Tote aus nächster Nähe betrachtet und wie zum Beweis seiner Anwesenheit zwei Schlüssel verloren. Haustürschlüssel. Von den Häusern nämlich, die ihre Briefkästen noch drinnen an den langen glatten Flurwänden hatten. So könnte es gewesen sein.
    Oben in der Wohnung fand er einen Zettel, auf dem Kerstin ihm in ihrer geschwungenen Handschrift mitteilte, dass sie die Kinder selbst geweckt und alles hergerichtet habe. Da aber sein Handy ausgeschaltet gewesen sei, habe sie ihn nicht darüber informieren können.
    Den Rest konnte sich Manzetti denken. Lara war bestimmt schon zur Schule unterwegs und machte erst dort ein paar ihrer Hausaufgaben oder tauschte eigene in Mathe mit der Französischübersetzung einer Freundin. Und Paola? Sein kleiner Engel würde noch solange mit Mama am Schreibtisch in deren Büro sitzen, bis der Unterricht in der Grundschule beginnen würde.
    Er legte den Zettel wieder auf den Tisch zurück und schaltete sein Handy ein. Drei Anrufe in Abwesenheit waren registriert. Einer von Kerstin, einer von Sonja Brinkmann und der letzte, gerade einmal fünf Minuten her, von Ole Claasen. Da Manzetti die Botschaft seiner Frau bereits

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