Havelwasser (German Edition)
die gelegentlich als Gönner in Erscheinung treten, die mit links SOS-Kinderdörfer bauen lassen und mit rechts Kinder zur Prostitution oder zu Sklavenarbeit zwingen. Die haben die Macht und die haben die Hand auf dem Elfenbein-, dem Waffen-, dem Drogen- und dem Menschenhandel. Männer ohne wichtige Namen und furchtbar ehrlich. Jedenfalls nach außen. Und die selbst hochgradige Politiker manipulieren. Die sogenannten Mafiabosse sind gegen sie auch nur zweite oder dritte Garde.“
Manzetti stand auf und goss Kaffee nach.
Verena Becker bedankte sich für ihre Tasse und wurde plötzlich leichenblass. „Hätten Sie vielleicht ein Glas Wasser?“
„Sicher.“ Er lief zum Wasserspender auf dem Flur und kam sofort zurück. Als er wieder im Zimmer war, lag sie bereits am Boden, und ein dünner, gelber Speichelfaden kroch aus ihrem Mund.
27
Manzetti stieg die zwei Treppen bis zu seiner Wohnung mit schleppendem Gang hoch und schloss ohne viel Kraft die Tür auf. Leise Musik drang an seine Ohren, Michael Bublé. Also war Kerstin allein zu Hause, und er konnte sich an ihre kleine, aber ungeheuer starke Schulter lehnen.
„Hallo, Schatz“, empfing sie ihn, als er im Wohnzimmer auftauchte.
„Hallo“, erwiderte er und nahm sie sofort in die Arme. „Ich kann nicht mehr. Fertig. Ich bin vollkommen fertig.“ Sein Jammern löste in der Regel ihren Beschützerinstinkt aus, und genau darauf hatte er es jetzt abgesehen.
„Einen Rosé?“, fragte Kerstin zur Einstimmung.
„Nein, lieber einen Barolo. Aber zuerst einen Grappa.“ Er ließ sich aufs Sofa fallen, warf das Sakko mit Schwung auf den einige Meter entfernten Sessel und knöpfte seine Weste auf. Dann sah er Kerstin zu, wie sie ihm den herrlich gelben Grappa eingoss, den er sofort in einem Zug hinunterstürzte.
„Na, noch einen?“
„Hm“, murmelte er und hielt ihr das leere Glas hin. „Wo sind eigentlich unsere Quälgeister?“
„Bei Jochen. Sie haben ihn gefragt, und er war sofort überrumpelt, obwohl er gar keine Zeit hat. Aber daran ist er selbst schuld.“
„Weichei“, kommentierte Manzetti mit einem netten Lächeln.
„Aber ein liebes. Er freut sich immer, wenn er die Mädchen mal um sich hat. Eigene Kinder kann er doch nicht haben.“
„Und dafür müssen wir ihm dann unsere geben? Ich denke, er ist ein richtiger Mann. Dann soll er sich welche machen.“
Kerstin strich ihrem Andrea besänftigend durch die Haare. „Mit wem denn? Vielleicht mit Carlos?“
„Carlos? So heißt also der neue Typ. Aha, hört sich zur Abwechslung mal wieder nach einem Latinlover an.“
„Es ist der aus dem Café Heider. Du weißt schon, als ihr euch in Potsdam getroffen hattet. Ein ganz süßer.“
„Hör auf. Den hat er auch wieder bloß drei Wochen, und dann kommt er angeheult, wie jedes andere Mal auch. Ich höre ihn schon jetzt wimmern.“
Das war für Kerstin das Stichwort. Sie wollte nicht zulassen, dass sich ihr Mann weiter über Jochen lustig machte, und eigentlich wollte sie den Grund für sein eigenes Wimmern erfahren. „Wie war denn nun dein Tag?“, fragte sie deshalb so unverfänglich wie möglich.
„Sie war es.“
„Wer?“
„Deine Verena Becker. Sie hat Weinrich und ihren Mann getötet. Und auch Gutendorf.“
Als Kerstin ihre Hände vor den Mund schlug, ihre Augen ihn aber erwartungsvoll ansahen, erzählte ihr Manzetti all das, was er im Berliner Tierpark erlebt und anschließend in seinem Büro erfahren hatte. Er beendete seine Aufzählung mit dem Krankenwagen, mit dem Verena Becker in die Notaufnahme des Städtischen Klinikums transportiert worden war.
„Lebt sie noch?“
„Ja, zumindest zu dem Zeitpunkt, als ich losging. Es geht ihr den Umständen entsprechend. Eine Unverträglichkeit irgendwelcher Medikamente. Eine Art Schock eben.“
„Konntest du danach noch mit ihr reden?“
„Natürlich. Wir haben fast eine Stunde miteinander gesprochen, nachdem sie wieder einigermaßen hergestellt war, und sie hat mir alles über ihre Motivation, über den modus operandi und über ihre weiteren Ziele erzählt.“
Kerstin goss beiden den dunkelroten Barolo ein. Dann fragten ihre Augen stumm weiter.
„Sie hatte ihre Kollegin unter einem Vorwand um die Vertretung gebeten, sich selbst aber auf den Weg nach Brandenburg und Potsdam gemacht. Beleg dafür ist auch ein Foto einer Radarfalle kurz vor der Autobahn, als sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch eine Ortschaft fuhr. Sie hat auch das Kreuz aus dem Pfarramt in Potsdam
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