Havelwasser (German Edition)
geholt.“
„Aus dem Pfarramt?“
„Ja, aus dem Pfarramt. Pater Johannes hatte mir das angebliche Kunstwerk bereits gezeigt. Ein schwarzes Kreuz, das Diakon Weinrich gefertigt haben soll.“
„Und hat er?“
„Wohl kaum. Ich glaube, dass es auch von Becker stammt und nur als Kreuz getarnt im Pfarramt stand. Es ist nämlich nur schwarz angemalt, ansonsten aus reinstem Elfenbein, hat sie mir verraten.“
„Aber der Diebstahl macht sie doch noch nicht zur Mörderin, oder?“
„Das alleine nicht. Aber in ihrer Wohnung haben wir ein Buch gefunden: Die Tortur. Darin werden Foltermethoden aus dem Mittelalter erläutert, und die Passagen um die Wasserfrage sind mit einem Filzstift markiert.“
„Das kann ihr aber auch jemand hingelegt haben.“
„Schon, aber sie hat mir alles gestanden und belastet nicht nur Weinrich und Becker, sondern auch Gutendorf und Raffel. Von nun an, so meint sie, müssten wir allerdings alleine weiterkommen.“
„Und kommt ihr?“
Manzetti trank einen Schluck und zuckte mit den Schultern.
„Sie wird doch nicht auch noch ihre Kollegin getötet haben?“
Er schwieg und besah sich den schimmernden Rotwein in seinem Glas.
„Andrea, sag, dass es nicht wahr ist!“
„Doch. Auch diesen Mord hat sie begangen.“
„Warum denn das?“
„Ihr war klar, dass wir sie bereits im Visier hatten, und sie ging davon aus, dass diese Gruppe, die sie selbst im Fadenkreuz hatte, direkte Kontakte in die Polizeispitze und sogar bis ins Innenministerium besaß, demzufolge auch über jeden Ermittlungsstand informiert war. Sie kannte deren kriminelle Energien gut genug, um zu begreifen, dass man sie aus dem Weg räumen würde. Deshalb musste ihre Kollegin sterben.“
„Quasi, um ihr ein Alibi zu verschaffen.“
„So in etwa. Für die nächsten Tage wäre sie für tot erklärt worden, und niemand hätte sie mehr gesucht. Sie hätte also in aller Ruhe nach Gutendorf auch noch an Raffel gehen können, um immer dichter ans Zentrum zu gelangen.“
„Dann ist sie ja eine …“ Kerstin traute sich nicht, das nächste Wort auszusprechen.
„Ja, das ist sie. Frau Dr. Kelterer war ihr Kollateralschaden.“
„Und nun?“
„Morgen wird sie voraussichtlich aus dem Krankenhaus entlassen und bis dahin dort bewacht. Ich werde also morgen erst ein Protokoll aufnehmen lassen und sie dann einem Haftrichter vorführen.“
„Was wird sie bekommen?“
„Ich vermute lebenslänglich, auch wenn das zeitlich nicht so lange ist. Jedenfalls nicht in ihrem Fall.“
„Warum hat sie eigentlich auch ihrer Kollegin diese Dinger in die Nase und den Mund geschoben?“
„Es sollte wohl so aussehen, als sei auch ihr die Wasserfrage gestellt worden. So sollten wir weiter im Ungewissen tappen. Mit den Informationen, die sicherlich auch von Claasen kamen …“
„Du meinst, dass Claasen da mit drinhängt?“
„Nein. Aber er ist einfältig genug, um sich von Leuten wie Gutendorf umschmeicheln zu lassen, und dann plaudert er, ganz im Vertrauen natürlich, nur um in diesen Kreisen verweilen zu dürfen. Er erkauft sich seine gesellschaftliche Stellung, ohne wirklich Schaden anrichten zu wollen. Aber so sind Menschen, besonders dann, wenn sie um Anerkennung buhlen.“
„Und welche Informationen hatte sie nun über euch?“
„Das weiß ich im Einzelnen noch nicht. Sie war nach einer Stunde sehr schwach und bat um eine Auszeit. Morgen werden wir über alles reden, was mir noch unklar ist.“
„Dann hat es also keine Morde gegeben, die mit Kinderschändern oder ähnlichen Dingen zu tun haben?“
„Hat es wohl nicht. Aber trotzdem sind vier Menschen gestorben, und das auch noch auf eine bestialische Art und Weise. Das reicht doch wohl, oder?“ Manzetti merkte offensichtlich nicht, worauf sie hinauswollte, dass sie die Geschichte um die seit Tagen in allen Medien präsenten Tötungsdelikte bereits verlassen hatte und eingetaucht war in ihre eigene Familie. Kerstin war schon längst wieder Mutter, nicht mehr nur Ehefrau eines Ermittlers der hiesigen Polizei.
„Hast du Lust auf ein Essen? Wir haben doch heute eine sturmfreie Bude. Wann kommt das schon mal vor?“
Manzetti hatte Hunger, und etwas Abwechslung könnte ihm sicherlich nicht schaden, also stimmte er zu. „Wohin?“, fragte er knapp.
„Nur über die Straße. Ins Malabar. Das ist ein neues indisches Restaurant, das erst seit gestern geöffnet hat. Lass uns das mal probieren.“
Manzetti war nicht begeistert. Indisch? An sein letztes indisches Essen
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