Havenhurst - Haus meiner Ahnen
waren, suchte er Matthew Townsendes Blick und deutete mit dem Kopf unmerklich zur Terrasse hinüber. Das war ein Zeichen, dessen Bedeutung sein Großvater Matthew inzwischen erläutert haben mußte.
Elizabeth, die nur zu froh war, daß die Townsendes ihretwegen jetzt nicht mehr wie Ausgestoßene behandelt wurden, bekam von alledem nichts mit. Deshalb schöpfte sie auch keinen Verdacht, als Matthew zu Tony sagte: „Ich glaube, die Damen würden jetzt ein wenig frische Luft draußen auf der Terrasse genießen wollen.“
Gehorsam nahm sie Tonys angebotenen Arm, Alexandra legte ihre Hand auf den Arm ihres Gemahls, und zusammen mit dem Duke of Stanhope durchquerte Elizabeth mit ihrem hohen Ehrengeleit den Ballsaal.
★
Eine hohe Steinbalustrade begrenzte die breite Terrasse. Einige Paare standen hier und genossen die frische Luft dieser mondlosen Nacht.
Matthew geleitete die kleine Gruppe indessen nicht zur Brüstung, sondern nach rechts, wo sich die Terrasse an der Seitenwand des Hauses fortsetzte. Hier befand sich außer ihnen niemand, wofür Elizabeth ihm dankbar war. Sie nahm die Hand von Tonys Arm und trat an die Balustrade. An der Hausecke waren Alexa und Matthew stehengeblieben und schirmten auf diese Weise etwaige Blicke ab. Elizabeth schaute in die dunkle Nacht hinaus und ließ sich den kühlenden Windhauch in das erhitzte Gesicht wehen.
Hinter ihr, wo eben noch Tony gestanden hatte, bewegte sich ein Schatten, und dann hörte sie dicht an ihrem Ohr eine Stimme.
„Tanzen Sie mit mir, Elizabeth.“
Erstarrt vor Schreck und Schock, ließ sich Elizabeth dennoch nichts anmerken. „Würden Sie mir einen großen Dienst erweisen?“ fragte sie überaus ruhig und höflich.
„Was immer Sie wollen“, antwortete Ian leise.
„Gehen Sie fort. Und bleiben Sie fort.“
„Was immer Sie wollen“, wiederholte er, und sie hörte seiner Stimme das Lächeln an. „Nur dies nicht.“ Mit den Fingern streichelte er sanft ihren Arm und neigte den Kopf näher zu ihr. „Tanzen Sie mit mir.“
Als er sie vor zwei Jahren in der Gartenlaube mit den gleichen Worten aufgefordert hatte, war sie in seine Arme gesunken. Heute dagegen schüttelte sie den Kopf. „Das halte ich nicht für klug.“
„Nichts von dem, was wir getan haben, war klug. Warum sollten wir jetzt daran etwas ändern?“
Elizabeth schüttelte noch einmal den Kopf, blickte Ian jedoch nicht an. Der Druck seiner Finger an ihrem Ellbogen verstärkte sich.
„Ich bestehe darauf“, sagte er.
Widerstrebend wandte sie ihm das Gesicht zu und blickte ihn an. „Weshalb?“
Er lächelte sie zärtlich an. „Weil ich bereits sieben Pflichttänze hinter mir habe - alle mit häßlichen Frauen von makellosem Ruf, so daß ich Sie jetzt zum Tanz bitten kann, ohne weitere Gerüchte auszulösen.“
„Weitere Gerüchte?“
„Ich weiß, was Ihnen nach jenem Wochenende widerfahren ist“, antwortete er leise. „Ihre Miss Throckmorton-Jones hat Duncan alles erzählt. Schauen Sie doch nicht so beleidigend drein! Das einzige, was Lucinda falsch gemacht hat, war, daß sie es meinem Onkel und nicht mir erzählt hat.“
Seine Sanftheit, seine so freundlichen Worte machten Elizabeth mißtrauisch. Andererseits hatte sie das Gefühl, wieder mit dem Ian Thornton zu sprechen, den sie vor zwei Jahren kennengelernt hatte.
„Kommen Sie mit mir in den Ballsaal“, drängte er, „und ich beginne mit der Wiedergutmachung.“
Elizabeth ließ sich einen Schritt weit mitziehen und blieb dann wieder stehen. „Nein, das wäre ein Fehler. Alle Leute werden uns beobachten und denken, wir wiederholen die Affäre von damals.“
„Irrtum. Da drinnen geht nämlich das Gerücht um, daß Sie mich, den mittellosen Mister, vor zwei Jahren abgewiesen haben. Jedermann wird Ihren Verstand bewundern, denn die Jagd nach einem Titel ist schließlich für die meisten so etwas wie ein heiliger Feldzug. Nun besitze ich einen Titel, und nun versuche ich es noch einmal bei Ihnen, um meinen verletzten Stolz zu heilen.“
Er strich ihr eine Haarsträhne von der weichen Wange. „Es tut mir leid. Etwas Besseres konnte ich nicht erreichen. Da man uns zusammen gesehen hat, konnte ich das Treffen selbst nicht ableugnen, sondern nur verbreiten, ich hätte Sie bedrängt, und Sie hätten mich abgewiesen.“
Elizabeth zuckte bei der sanften Berührung zusammen, schob aber Ians Hand nicht fort. Er hätte sie am liebsten geküßt, aber zunächst war es erforderlich, daß er sie von seinem Plan überzeugte;
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