Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Sie sah blaß, erschüttert und unbeschreiblich schön aus, und wenn er bei seinem Vorhaben Erfolg haben wollte, mußte er sich eher beiläufig nähern.
Zunächst jedoch waren noch die vielen Gratulanten abzufertigen. Die Männer scharwenzelten um ihn herum, die Frauen vollführten Hofknickse, und diejenigen, die nicht mit solchen Dingen beschäftigt waren, schauten tuschelnd zu Elizabeth hinüber. Ian wurde immer wütender.
Noch weitere fünf Minuten hielt er das durch, dann gab er seinem Großvater ein Zeichen. Die beiden lösten sich aus den drei Dutzend Menschen, die dem Marquess of Kensington vorgestellt werden wollten, obwohl sie diesen als Mr. Ian Thornton längst kannten.
Seite an Seite schritten der Duke of Stanhope und sein Enkelsohn, der neue Marquess of Kensington, durch die Menge. Ian ließ sich zwar nicht aufhalten, aber er nickte Bekannten zu, verbeugte sich hin und wieder und schüttelte Hände, damit es nicht so aussah, als wäre er direkt zu Elizabeth unterwegs. Sein Großvater, der auf der Herfahrt in der Kutsche über alles informiert worden war, spielte seine Rolle hervorragend. Kurz bevor Elizabeths Gruppe erreicht war, blieb der alte Herr bei Bekannten stehen, und Ian ging allein weiter. Das Getuschel im Ballsaal schwoll zu ungeheurer Lautstärke an.
Alexandra warf erst einen Blick zu Elizabeth, dann einen zu ihrem Gemahl hinüber. „Führe sie zum Tanz, bitte!“ drängte sie Matthew. „Bringe sie um Himmels willen hier fort! Dieses Ungeheuer kommt tatsächlich her!“
Matthew zögerte, schaute den Herankommenden an und schüttelte den Kopf. „Es wird alles gut werden, Liebling“, versprach er. Dann trat er auf Ian zu und schüttelte ihm die Hand, als hätten sie nicht erst vor kurzem miteinander Karten gespielt. „Gestatte mir, dir meine Gemahlin vorzustellen.“ Matthew wandte sich zu Alexa um, die Ian mit ihren blauen Augen recht zornig anblitzte.
„Es ist mir ein Vergnügen“, sagte Ian und hob sich ihre Hand an die Lippen. Alexa entzog sie ihm sofort wieder.
Die Herzoginwitwe quittierte Ians Vorstellung mit einem angedeuteten Neigen ihres durchlauchtigen Hauptes und sagte: „Mir ist es kein Vergnügen.“
Ian nahm die deutliche Abfuhr durch die beiden Damen hin. Ein Mädchen namens Georgina vollführte einen Hofknicks vor ihm und schmachtete ihn dabei an. Ein anderes Mädchen namens Valerie knickste ebenfalls, wich dann aber vor seinem Blick zurück und klammerte sich rasch an den Viscount Mondevale, der Ian als nächster vorgestellt wurde.
Elizabeth verfolgte das alles interessiert, aber vollkommen unbewegt, bis Ian schließlich vor ihr stand. Sobald der Blick seiner bernsteinfarbenen Augen sie traf, begann sie zu zittern.
„Lady Elizabeth Cameron, Countess of Havenhurst“, stellte Matthew vor.
Ein Lächeln zog über Ians Gesicht, und Elizabeth erwartete schon eine ironische Bemerkung. „Lady Elizabeth“, sagte er indessen laut genug, damit es alle umstehenden Damen hörten, „wie ich sehe, stellen Sie noch immer alle anderen Frauen in den Schatten. Darf ich Ihnen meinen Großvater vorstellen?“
Ich träume, dachte sie. Seinen Großvater hatte Ian bisher niemandem außer ihr vorgestellt. Die Bedeutung dieser ehrenden Geste wurde von jedermann sehr wohl erkannt.
Als Ian sich entfernte, atmete Elizabeth erleichtert auf. „Nun ja“, meinte die Herzoginwitwe und schaute ihm nach, „ich würde sagen, das hat er recht anständig hinter sich gebracht. Da, sehen Sie“, fügte sie kurz darauf hinzu, Jetzt führt er Evelyn Makepeace zum Tanz. Wenn der alte Makepeace ihm jetzt keine Abfuhr erteilt hat, dann dürfte er ihn hiermit voll anerkannt haben.“
Elizabeth mußte ein hysterisches Lachen unterdrücken. Als ob sich Ian Thornton um eine Abfuhr oder eine Anerkennung scheren würde! Ihr Gedankengang riß ab, als sie zum zweitenmal an diesem Abend zum Tanz aufgefordert wurde.
Mit einer eleganten Verbeugung und einem herzlichen Lächeln bot ihr der Duke of Stanhope den Arm. „Würden Sie mich mit diesem Tanz beehren, Lady Elizabeth?“ fragte er und verstieß damit seelenruhig gegen seine Pflicht, zunächst mit den älteren Damen zu tanzen.
Elizabeth wollte ablehnen, doch der Herzog blickte sie so bittend an, daß sie schließlich doch zögernd die Finger auf seinen Arm legte.
Wahrend sie zur Tanzfläche schritten, bemühte sie sich darum, an nichts zu denken und ein entsprechendes Gesicht zu machen. Der alte Herzog legte ihr den Arm um die Taille und führte
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