Havenhurst - Haus meiner Ahnen
sie mitten unter die anderen Tänzer, und erst dann sprach er wieder.
„Ian hat mich beauftragt, Ihnen etwas auszurichten“, sagte er ernst.
Elizabeth schaute ihn höflich, aber ohne jedes Interesse an.
„Ich soll Ihnen sagen, Sie möchten sich keine Sorgen machen“, fuhr er fort. „Er bittet Sie nur darum, noch eine Stunde hierzubleiben und ihm im übrigen zu vertrauen.“
Jetzt verlor Elizabeth doch die Beherrschung über ihre Gesichtszüge. „Ihm vertrauen?“ wiederholte sie hysterisch auflachend. Bisher war sie sich in Ians Nähe jedesmal wie ein Tennisball vorgekommen, den er ganz nach eigenem Belieben in jede von ihm gewünschte Richtung schlagen konnte, und davon hatte sie nun wirklich genug. Sie faßte sich, lächelte den Herzog freundlich an und schüttelte den Kopf.
Von den in der Nähe Tanzenden wurde bemerkt, daß Elizabeth Cameron erstaunlicherweise mit dem Duke of Stanhope auf höchst freundschaftlichem Fuß zu stehen schien, und das hieß, daß nicht nur eine, sondern jetzt sogar zwei der angesehensten Familien Englands die junge Dame begünstigten. Dies sprach sich in Windeseile im ganzen Saal herum.
Ian hatte die Reaktion der Gesellschaft genau vorausgesehen, und nun tat er ein übriges. Da er die Gerüchte über seine damalige Beziehung zu Elizabeth nicht einfach abstellen konnte, gab er ihnen eine andere Richtung. Er blickte so oft interessiert zu ihr herüber, daß er zwangsläufig Kommentare herausfordern mußte.
„Sie ist toll, was?“ Lord Newson, ein reicher Geck, hatte Ians Blickrichtung bemerkt. „Als Sie sie vor zwei Jahren in die Holzfällerhütte abschleppten, war es ja das allgemeine Stadtgespräch.“
Ian lächelte, hob sein Glas an die Lippen und schaute über den Rand hinweg wieder zu Elizabeth hinüber. „So? Allgemeines Stadtgespräch war es?“ fragte er amüsiert und so laut, daß es die um ihn versammelten interessierten Gentlemen deutlich hören konnten.
„Und wie!“
„Hat es mir Spaß gemacht?“
„Wie meinen ...“
„Ich möchte wissen, ob es mir Spaß gemacht hat, mit ihr in der Hütte zu sein.“
„Das müssen Sie doch am besten wissen. Sie waren doch mit ihr zusammen.“
Ian erwiderte gar nichts, worauf Newson fragte: „Oder etwa nicht?“
„Nein“, antwortete Ian mit einem bedauernden Lächeln.
„Aber das lag nicht daran, daß ich es nicht versucht hätte.“ „Tun Sie doch nicht so, Kensington“, mischte sich einer der anderen Gentlemen ins Gespräch. „Im Gewächshaus sind Sie doch mit ihr gesehen worden.“
Ian hob nur die Augenbraue, obwohl er am liebsten zugeschlagen hätte. „Wie ich schon sagte, es lag nicht daran, daß ich es nicht versucht hätte, mit ihr irgendwo allein zu sein.“ Sieben Männer starrten ihn erst ungläubig, dann eindeutig enttäuscht an.
„Ich frage mich jetzt“, sagte Ian, als spräche er mit sich selbst, „ob sie wohl einem Marquess geneigter ist als einem einfachen Mister.“
„Was für eine Frage, Mann“, meinte einer der Gentleman höhnisch lachend. „Das Versprechen einer Adelskrone verschafft Ihnen jede Frau, die Sie wollen.“
„Das Versprechen einer Adelskrone?“ Ian gab sich ratlos. „Sie meinen, die Lady würde auf einer Heirat bestehen?“ Zwar hatte der Mann an dergleichen im Augenblick gar nicht gedacht; trotzdem nickte er und fragte sich erst hinterher, warum eigentlich.
Als Ian die Gruppe verließ, genossen die Gentlemen den erheiternden Gedanken, daß der Marquess of Kensington, als er noch ein schlichter Mister gewesen war, von Lady Elizabeth abgewiesen worden war. Das war ja noch wesentlich ergötzlicher als das ursprüngliche Gerücht über die heimliche Beziehung der beiden!
Selbstlos teilten die sieben Herren ihre neuen Informationen allen Leuten mit, die ihnen zuhören wollten, und innerhalb einer halben Stunde war der ganze Ballsaal mit neuen Spekulationen beschäftigt. Viele Gentlemen betrachteten Elizabeth jetzt mit ganz anderen Augen. Zwei der Herren wandten sich an den Duke of Stanhope mit der Bitte, der Lady vorgestellt zu werden, und kurz darauf sah Ian, daß einer von ihnen sie zur Tanzfläche führte.
Da er wußte, daß er heute abend nicht mehr zu ihrer Ehrenrettung unternehmen konnte, unterzog er sich der rituellen Pflicht, die er erfüllen mußte, bevor er Elizabeth zum Tanz bitten konnte, ohne sie erneut zu kompromittieren: Er forderte hintereinander sieben Damen aller Altersklassen und makellosen Rufs zum Tanz auf. Nachdem diese Pflichttänze absolviert
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