Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Entschuldigung, Miss Alexa.“ Er wandte sich an seine Herrin. „Ihr Onkel ist soeben eingetroffen. Er wünscht Sie sofort in der Bibliothek zu sprechen, Miss Elizabeth.“
Der Butler beschäftigte sich auffällig lange mit dem Einsammeln des Teegeschirrs, bis Elizabeth den Salon verlassen hatte. „Mit Verlaub, Durchlaucht“, sagte er dann sehr förmlich zu Alexandra. „Darf ich Ihnen sagen, wie glücklich ich über Ihre Anwesenheit bin, gerade jetzt, da Mr. Cameron eingetroffen ist?“
„Vielen Dank, Bentner. Ich freue mich auch über das Wiedersehen. Stimmt etwas mit Mr. Cameron nicht?“
„Er sieht ganz so aus.“ Nach einem verstohlenen Blick auf den Flur hinaus fuhr er fort: „Aaron — das ist unser Kutscher
— und mir behagt Mr. Camerons Anblick heute ganz und gar nicht. Und noch etwas möchte ich feststellen. Keiner von uns restlichen Bediensteten ist hier verblieben, weil er Havenhurst so liebte.“
Verlegen senkte er den Blick. „Wir sind alle wegen unserer jungen Herrin geblieben. Sehen Sie, sie hat ja nur noch uns.“ Er hob den Kopf. „Und wir dürfen einfach nicht zulassen, daß ihr Onkel ihr wieder Kummer bereitet, das tut er nämlich fortwährend.“
Alexa war gerührt. „Gibt es ein Mittel, ihn davon abzuhalten?“ fragte sie.
Würdevoll richtete sich Bentner auf. Er nickte. „Ich persönlich würde dafür stimmen, ihn von der Londoner Bridge in die Themse zu stoßen. Aaron hingeben gibt der Anwendung von Gift den Vorzug.“
Alexa lächelte verschwörerisch. „Ich würde zu Ihrer Methode neigen, Bentner. Sie ist sauberer.“
Natürlich war Alexas Bemerkung nicht ernstgemeint, und Bentners Erwiderung bestand nur in einer formellen Verbeugung, doch als die beiden einander sekundenlang in die Augen blickten, verstanden sie sich gegenseitig vollkommen.
3. KAPITEL
Julius Cameron schaute auf, als Elizabeth die Bibliothek betrat. Verärgert stellte er fest, daß seine Nichte sogar jetzt noch, da sie nicht viel mehr als eine verarmte Waise war, eine geradezu königlich stolze Haltung an den Tag legte.
Das hatte ihr arroganter, leichtlebiger Vater ebenfalls getan. Im Alter von fünfunddreißig Jahren waren er und seine Gattin bei einem Jachtunfall ertrunken, und bereits bis zu diesem Zeitpunkt hatte er es fertigbekommen, sein nicht unerhebliches Erbe beim Glücksspiel zu verlieren und seine Ländereien zu verpfänden. Dennoch hatte er bis zu seinem Lebensende wie ein privilegierter Aristokrat gelebt.
Als der jüngere Sohn des Earls von Havenhurst hatte Julius selbst weder Titel noch Vermögen oder nenennswerte Ländereien geerbt, doch er hatte es mittels eigener Arbeit und größter Sparsamkeit geschafft, ein ansehnliches Kapital anzuhäufen. Trotzdem fühlte er sich vom Schicksal betrogen, denn seine Gattin war unfruchtbar, und so gab es zu seiner tiefen Verbitterung für sein Vermögen keinen Erben — bis auf den Sohn, den Elizabeth Cameron nach ihrer Eheschließung auf die Welt bringen würde.
Nicht genug damit, daß er, Julius, also sein ganzes Leben dafür gearbeitet hatte, den zukünftigen Enkel seines leichtlebigen Bruders mit Reichtum zu versehen; jetzt mußte er sich auch noch mit den Unannehmlichkeiten herumschlagen, die Elizabeths Halbbruder Robert durch dessen Verschwinden hinterlassen hatte, und außerdem oblag es ihm, den schriftlichen Anweisungen von Elizabeths Vater zu folgen und dafür zu sorgen, daß sie mit einem Mann verheiratet wurde, der sowohl über Titel als auch über Vermögen verfügte.
Als Julius Cameron vor einem Monat die Suche nach einem passenden Ehemann für sie aufgenommen hatte, war ihm dieses als eine einfache Aufgabe erschienen, denn schließlich hatte seine Nichte bei ihrem Debüt vor zwei Jahren auf Anhieb fünfzehn Heiratsanträge erhalten.
Um so mehr erstaunte es ihn, daß ihm jetzt nur drei dieser Gentlemen auf seinen Brief positiv und einige überhaupt nicht geantwortet hatten, und das, obwohl er doch eine ansehnliche Mitgift in Aussicht gestellt hatte. Von dem wilden Skandal, der sich damals um sie gedreht hatte, konnte er nicht viel wissen, denn er pflegte die feine Gesellschaft mit allen ihren Ausschweifungen und all ihrem Klatsch und Tratsch zu meiden, wo immer es ging.
„Was wünschst du mit mir zu besprechen, Onkel Julius?“
Elizabeths Frage unterbrach Julius’ unerfreuliche Gedankengänge. „Ich bin hier, um mit dir über deine bevorstehende Heirat zu reden“, antwortete er unfreundlich.
„Meine — was?“ Vor Schreck
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