Havenhurst - Haus meiner Ahnen
verurteilten oder, was noch schlimmer wäre, sie bemitleideten. Sie wollte wissen, ob man darüber sprach, daß sie jetzt mittellos war. Und sie hätte gern gefragt, weshalb ihr niemand einen Besuch abstattete oder wenigstens einmal geschrieben hatte.
Als sie vor zwei Jahren offiziell in die Gesellschaft eingeführt worden war, hatte sich das als ein überwältigender Erfolg erwiesen. Elizabeth hatte sofort eine nie dagewesene Anzahl Heiratsanträge erhalten. Nun war sie neunzehn Jahre alt und eine Ausgestoßene, denn sie hatte die Regeln der adligen Gesellschaft gebrochen und war zum Mittelpunkt eines Skandals geworden, der die Londoner Adelsgesellschaft aufs heftigste erschüttert hatte.
„Du möchtest also nichts Bestimmtes wissen?“ fragte Alexa mit einem scheinbar unbekümmerten Lächeln. „Nun gut. Also da wäre zum Beispiel Lord Dusenberry. Er hat sich mit Cecelia Lacroix verlobt.“
„Wie schön für Cecelia“, sagte Elizabeth ehrlich erfreut. „Dusenberry ist sehr reich und entstammt einer hochangesehenen Familie.“
„Er ist ein unverbesserlicher Schürzenjäger und wird Cecelia schon ein paar Wochen nach der Hochzeit betrügen“, erklärte Alexa in ihrer üblichen Direktheit.
„Du irrst dich!“
„Ich irre mich nicht. Wollen wir wetten? Um dreißig Pfund?“
Mit einmal konnte Elizabeth die Ungewißheit nicht mehr ertragen. Sie mußte wissen, ob ihre Freundin aus Mitgefühl und Loyalität zu Besuch gekommen war oder weil sie Elizabeth fälschlicherweise noch immer für die meistbegehrte Frau Londons hielt. „Ich besitze keine dreißig Pfund, Alexa.“ Sie schaute der jungen Herzogin in die Augen.
Alexa blickte sie ernst an. „Ich weiß.“
Elizabeth hatte es gelernt, mit Feinden umzugehen, ihre eigene Angst zu verbergen und den Kopf hoch zu tragen. Angesichts der Güte und der Loyalität ihrer Freundin jedoch wäre sie jetzt beinahe doch noch in die verhaßten Tränen ausgebrochen. „Ich danke dir“, brachte sie mühsam heraus.
„Es gibt nichts, wofür du mir zu danken hättest. Ich habe von der ganzen schmutzigen Geschichte gehört, und ich glaube davon kein einziges Wort. Im übrigen möchte ich, daß du für diese Saison nach London kommst und bei uns wohnst.“
Alexa ergriff Elizabeths Hand. „Du bist es dir selbst schuldig, der ganzen Gesellschaft stolz gegenüberzutreten. Ich werde dir dabei helfen. Weiterhin werde ich die Großmutter meines Ehemannes davon überzeugen, dir ebenfalls mit ihrem Einfluß zur Seite zu stehen. Glaube mir, niemand wird es wagen, dich gesellschaftlich zu schneiden, wenn die Dowager Duchess of Hawthorne hinter dir steht.“
„Der Herzoginwitwe wird doch sicherlich alles bekannt sein, was die Leute über mich reden, und aus diesem Grund wird sie doch niemals ..
„Der ganze schreckliche Klatsch ist ihr in der Tat bekannt“, unterbrach Alexa Elizabeth. „Dennoch ist sie bereit, dich kennenzulernen und sich ihr eigenes Urteil zu bilden. Sie wird dich so liebgewinnen, wie ich dich immer lieb hatte. Und dann wird sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dich wieder gesellschaftsfähig zu machen.“
Elizabeth schüttelte den Kopf. „Ich weiß diese Bereitschaft zu schätzen, aber ich kann sie unmöglich annehmen.“
„Und ich dulde keinerlei Widerspruch“, erklärte Alexa. „Was im übrigen die Garderobe betrifft, so besitze ich viele Gewänder, die ich noch nie getragen habe. Diese werde ich dir leihen und ...“
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ protestierte Elizabeth. „Bitte, Alexa, du mußt mir wenigstens ein wenig von meinem Stolz lassen.“ Sie lächelte ein bißchen. „Ich bin ja auch gar nicht so unglücklich, wie du vielleicht denkst. Immerhin habe ich ja dich. Und ich habe Havenhurst“, fügte sie etwas wehmütig hinzu.
„Das weiß ich. Aber du kannst nicht dein ganzes Leben lang hier bleiben. Und du brauchst in London ja auch gar nicht unbedingt auszugehen, wenn du nicht möchtest. Wir beide könnten aber dort Zusammensein.“
„Dazu wirst du viel zu beschäftigt sein“, wandte Elizabeth ein, die an die atemberaubende Folge gesellschaftlicher Veranstaltungen während einer Saison in London dachte.
„So beschäftigt werde ich durchaus nicht sein.“ Alexandra lächelte. „Ich erwarte nämlich ein Kind.“
Elizabeth umarmte sie fest. „Ich komme“, versprach sie ohne weiteres Nachdenken. „Aber ich kann im Stadthaus meines Onkels wohnen, falls er nicht da ist.“
Bentner trat ein. „Ich bitte um
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