Havenhurst - Haus meiner Ahnen
das Frühstück gut gewesen; er versuchte es statt dessen mit Humor.
„Ich bewundere Ihren Einfallsreichtum. Hätten Sie mich gestern erschossen, wäre mein Tod ja viel zu schnell und schmerzlos eingetreten.“
Elizabeth fuhr zusammen, als sie die Stimme hörte. Zwar hob sie den Kopf, schaute jedoch in die andere Richtung. „Wollen Sie etwas von mir?“
„Wie wäre es mit Nachtisch?“ Er verrenkte sich den Hals, um in ihr Gesicht zu blicken, und meinte beinahe, ein schwaches Lächeln zu erkennen. „Ich dachte mir, wir könnten ein bißchen Sahne schlagen, sie mit den übriggebliebenen Eiern mischen und aufs Brot streichen, das wir dann zum Ausbessern des Dachs verwenden können.“
Ein kleines Lachen schlich sich in das Schluchzen. „Es überrascht mich, daß Sie es so leicht nehmen.“
„Über angebrannten Speck zu weinen, hat doch auch keinen Sinn.“
„Deshalb habe ich ja auch gar nicht geweint“, sagte sie, ohne Ian anzusehen. Ein schneeweißes Taschentuch erschien vor ihrem Gesicht. Sie nahm es und trocknete damit ihre tränenfeuchten Wangen.
„Warum haben Sie denn dann geweint?“
Elizabeth starrte weiter geradeaus und zerknüllte das Taschentuch in der Hand. „Wegen meiner eigenen Unzulänglichkeit habe ich geweint und wegen meiner Unfähigkeit, mein Leben selbst zu bestimmen.“
Jetzt schaute sie zu ihm auf, und Ian sah in Augen, die die Farbe grüner Blätter hatten, an denen noch die Tropfen eines Sommerregens hingen. Mit der mädchenhaften Schleife, die das lange Haar zusammenhielt, und mit den vollen Brüsten unter dem engsitzenden Mieder bot sie ein Bild verlockender Unschuld und berauschender Sinnlichkeit.
Ian riß den Blick von ihren Brüsten. „Ich werde jetzt ein wenig Holz für den Kamin hacken. Hinterher werde ich uns etwas für das Abendessen angeln. Ich hoffe, Sie werden sich in der Zwischenzeit schon irgendwie unterhalten.“
Bestürzt über seine plötzliche Schroffheit, nickte Elizabeth und stand auf. Ian half ihr nicht dabei; er hatte sich schon abgewandt und war gegangen.
Elizabeth kehrte zum Haus zurück und überlegte, was sie tun könnte, um nicht immer nur an ihr Mißgeschick zu denken. Sie beschloß, als erstes die traurigen Überbleibsel des Frühstücks zu beseitigen.
Als sie die angebrannten Eier aus der schwarzen Pfanne kratzte, hörte sie das rhythmische Geräusch des Holzhackens. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, warf einen Blick aus dem Fenster, schaute dann wie gebannt hinaus und errötete vor Verlegenheit.
Ohne jede Andeutung von Sittsamkeit und Schamgefühl hatte Ian seinen Oberkörper bis zum Hosenbund entblößt. Dicke Muskeln spielten auf seinem breiten Rücken und an seinen Armen, während er die Axt schwang.
Elizabeth hatte noch nie die nackten Arme eines Mannes gesehen, ganz zu schweigen von einem kompletten nackten Oberkörper, und sie war schockiert darüber, daß sie jetzt so schamlos hinstarrte. Sofort wandte sie den Blick vom Fenster und versagte es sich streng, der Versuchung nachzugeben und noch einmal hinzuschauen.
Statt dessen fragte sie sich ganz sachlich, wo und wie er es gelernt hatte, mit solcher Leichtigkeit und solchem Geschick Holz zu spalten. Plötzlich mußte sie auch wieder daran denken, mit welcher eleganten Leichtigkeit er mit ihr in der Gartenlaube Walzer getanzt hatte. Anscheinend besaß Ian Thornton die Fähigkeit, immer in der Situation und in der Umgebung zu Haus zu sein, in der er sich gerade befand.
Um sich von solchen nutzlosen Überlegungen abzulenken, machte sie sich nun mit Eifer an die Küchenarbeit. Als alles aufgeräumt, abgewaschen und abgetrocknet war, ging sie im Haus umher und suchte nach irgendeiner Tätigkeit. Sie stieg die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf, packte ihr Schreibzeug aus und setzte sich damit unten an den Tisch, um einen Brief an Alexandra zu verfassen.
Schon nach wenigen Minuten wurde sie jedoch zu unruhig zum Schreiben. Die Sonne schien so schön, und aus der Stille war zu schließen, daß Ian das Holzspalten beendet hatte.
Sie legte die Feder aus der Hand, trat aus dem Haus, schlenderte zum Stall hinüber und beschloß schließlich, sich der unkrautbestandenen Fläche hinter dem Haus anzunehmen, die früher wohl einmal ein Garten gewesen war. Sogleich holte sie sich ein Paar Männerhandschuhe aus dem Haus sowie ein Tuch, auf das sie sich knien konnte, und machte sich an die Arbeit.
Erbarmungslos rupfte sie sämtliches Unkraut heraus, zwischen dem ein paar Stiefmütterchen
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